Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33
Strümpfe und Lederstiefel, dicke Handschuhe, Schleier und Haarband, und außerdem mindestens noch ein wärmeres Hemd.“
Seine Aufzählung verschlug ihr offenbar die Sprache, und Hugues registrierte genüsslich, dass er sie wohl überrascht hatte. Glaubte sie etwa, sie wäre ihm so wenig wert, dass er sie frieren ließe?
„Es ist wirklich nicht nötig, dass du dich so für mich in Unkosten stürzt“, widersprach sie leise, worauf er sich über den Tisch beugte und ihr spielerisch mit dem Finger auf die Nase tippte.
„Mein Mündel läuft nicht in ärmlichen Kleidern herum“, foppte er sie. Zu seiner Erleichterung lächelte sie zögernd. „Sei doch mal ehrlich, Sophie. Du hast doch nichts Gescheites anzuziehen.“ Sie musste ihm widerstrebend zustimmen. Er musste ihr gewiss nicht auf die Nase binden, dass ihn der Kauf eines dritten Pferdes erheblich mehr gekostet hatte als ein paar tragbare Kleidungsstücke.
„Im Grunde hast du ja recht“, gab sie zu, stand auf und reckte sich. „Ich möchte dir aber keinesfalls zur Last fallen, und ich verspreche dir, dass ich es dir irgendwann einmal vergelten werde.“
Hugues rätselte darüber nach, ob sie wohl absichtlich aus dem Lichtkranz der Kerze getreten war, damit er nicht erkennen konnte, was in ihr vorging. Aus seiner Sicht schwebte der Verlust ihrer Jungfräulichkeit zwischen ihnen, und dass er sie dafür wohl kaum würde entschädigen können, war ihm durchaus bewusst.
Was bedeutete es da schon, sie ein wenig zu verwöhnen? Er konnte es sich schließlich leisten, und das Pferd ließ sich ja wieder verkaufen, sobald sich ihre Wege trennten. Doch der Gedanke, dass sie irgendwann nicht mehr bei ihm war, wollte ihm nicht so recht gefallen, und als er schließlich antwortete, klang er ernster als beabsichtigt.
„Ich habe mich deiner bereits zwei Mal angenommen“, sagte er verdrießlich, wobei er sich ebenfalls erhob. „Da ist die Sorge, du könntest mir zur Last fallen, doch wohl unbegründet.“
Beleuchtet vom Kerzenschein, der ihre Konturen scharf hervorhob, schaute sie ihn überrascht an, als hätte sie so ein Geständnis nie erwartet. Dann kletterte sie mit einem Stoßseufzer der Erleichterung ins Bett. „Die Wirtin hat einen Strohsack für dich gebracht. Vergiss nicht, die Kerze zu löschen.“
Wortlos blieb Hugues neben dem Tisch stehen. Er konnte es nicht fassen, dass sie überhaupt keine Anstalten gemacht hatte, ihn zu küssen oder ihm auf andere Weise die Sinne zu verwirren. Schließlich musste er sich eingestehen, wie enttäuscht er deshalb war, obwohl er sich plötzlich wie ein Schurke vorkam, weil er angenommen hatte, sie würde ihn in dieser Nacht in ihr Bett lassen. Nach einiger Zeit klangen Sophies Atemzüge so gelöst und gleichmäßig wie die von Luc. Jetzt musste Hugues endgültig einsehen, dass sie wohl nicht die Absicht hatte, ihn zu verführen.
Hatte sie ihre Einstellung zu ihm wohl geändert?
Allein die Vorstellung löste in ihm einen solchen Schrecken aus, dass es ihn schier bestürzte. Fast wäre er zu ihr ins Bett gekrochen, um sich vom Gegenteil zu überzeugen, konnte sich aber gerade noch beherrschen. Denn was hätte er unter ihrer Decke anstellen sollen? Sich an ihr vergehen? Um Himmels willen! Sie um Verzeihung bitten? Wofür? Weil er nicht geglaubt hätte, dass sie seinen politischen Gedankengängen so scharfsinnig gefolgt war, wie es ein Mann auch nicht besser gekonnt hätte? Undenkbar.
Abgesehen davon, wusste er ja nicht einmal, ob Sophie überhaupt noch daran glaubte, sie seien vom Schicksal füreinander bestimmt.
Und die Erkenntnis, dass dieses betörende, unzweifelhaft verrückte Weib ausnehmend gut mit Geld umzugehen wusste, wie es an sich jede ordentliche Ehefrau sollte, beruhigte ihn auch nicht im Geringsten. Ferner verstand sie zu nähen und nahm obendrein Rücksicht auf seine Bedürfnisse. Hugues trank noch den Wein aus, wobei er bewusst den Blick zum Bett vermied, wo gerade in diesem Moment ihre Atemzüge in ein Wispern übergingen. Dass Sophie bestimmt ein vortreffliches Eheweib abgeben würde – den Gedanken verbat er sich erst recht.
Zutiefst verstimmt löschte Hugues verdrossen die Kerze und streckte sich ächzend auf dem harten, knapp bemessenen Strohsack aus. Verärgert deckte er sich mit seinem Mantel zu und stierte wütend in die verglimmenden Reste des Kaminfeuers. Und das ihm, einem Ritter von höchsten Würden und Weihen, dem Nachfolger und Erben eines alternden, hinfälligen Vaters!
Als Krieger
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