Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33
heiß den Hals hinaufkroch. Seine Ohren glühten dermaßen, dass er fürchtete, sie müssten im Dunklen regelrecht leuchten. „Nun, das mit deinem größten Geschenk“, brummte er schroff trotz seiner Verlegenheit. Sophies breites Lächeln machte es ihm unmöglich, noch genauer zu werden.
„Das ich für meinen Gemahl aufspare?“, fragte sie.
Hugues nickte nur stumm. Sein Mund war plötzlich trocken, und er war ihr dankbar, dass sie ihm in diesem Punkt ein wenig entgegenkam, wenngleich er ihrer Absicht nach wie vor misstraute.
In diesem Moment klopfte es an der Tür. Ohne nachzudenken öffnete er, heilfroh über die Unterbrechung. Hätte er nur gewusst, was Sophie im Schilde führte! Tatenlos sah er zu, wie zwei Jungen einen hölzernen Badezuber hereinschleppten und vor den Kamin stellten.
Einer stocherte das glimmende Feuer, während der andere wieder die Stiege hinunterlief. Hugues war peinlich bewusst, dass Sophie ihn die ganze Zeit vergnügt betrachtete. Dann kehrte der zweite Knabe zurück mit einem Eimer dampfenden Wassers, das er in den Zuber kippte, während der erste die Kammer verließ. Das plätschernde Wasser brachte Hugues jäh in die Wirklichkeit zurück, sodass er kurz zusammenzuckte.
„Da lasse ich dich wohl besser allein“, murmelte er hastig, bestrebt, schnellstens das Weite zu suchen, ehe Sophie begann, sich zu entkleiden. „Ich habe Luc losgeschickt, nach Reittieren Ausschau zu halten. Am besten sage ich ihm, dass wir jetzt noch eines brauchen“, erklärte er, auf einmal nicht mehr so sicher, was Sophie wohl vorhaben könnte. Denn als er sie verwirrt ansah, lag auf ihren Zügen noch immer jenes Lächeln, das ihn schier zum Wahnsinn trieb. „Natürlich nur, falls du gedenkst, die Reise mit uns fortzusetzen …“ Seine Worte gingen in unverständliches Gestammel über, und er verachtete sich selbst, dass er in Sophies Gegenwart dermaßen die Fassung verlor.
Als Sophie selbstbewusst nickte, verfiel er in Schweigen und wartete auf das, was sie wohl als Nächstes sagen würde. Stumm sah er sie an, während das Poltern der beiden Jungen auf der Treppe widerhallte. Ganz bewusst tat Sophie einen Schritt auf Hugues zu, und trotz der verschmutzten Kleidung schrien ihre weiblichen Rundungen förmlich nach seiner Berührung. Er ballte die Hände zu Fäusten, verzweifelt bemüht, sie bei sich zu behalten.
„Aye, Hugues“, flüsterte sie. Entsetzt ließ er es geschehen, dass sie sich auf die Zehenspitzen stellte und mit quälender Sanftheit seinen Mund mit den Lippen streifte, während ihre Fingerspitzen sacht seine Brust berührten. „Ja, das möchte ich, Hugues. Mit dir reisen.“ Ihr Blick umwölkte sich, sodass Hugues hastig zurückschreckte und sich die Schulter am Türpfosten stieß. Gehetzt wirbelte er herum, um weiteren Abstand bemüht, hinaus bis auf den Treppenabsatz, und als er zurücksah, stand Sophie immer noch da und musterte ihn stumm.
„Ich habe nicht gelogen, Hugues“, beteuerte sie sanft. Von Grausen gepackt floh er die Stiege hinab.
Dass er Reißaus nahm, nur weil sie etwas gesagt hatte, was für sie beide doch eigentlich sonnenklar war, hätte Sophie beim besten Willen nicht erwartet. So brachte sie den ganzen restlichen Nachmittag damit zu, über Hugues’ merkwürdiges Verhalten nachzugrübeln. Wenn es nicht so verstörend gewesen wäre, hätte sie es womöglich als amüsant empfunden, dass ein wahrer Löwe von einem Ritter vor jemandem wie ihr die Flucht ergriff.
Leuchtete es ihm etwa gar nicht ein, dass sie ein gemeinsames Schicksal hatten?
Im Grunde wollte sie nicht glauben, dass er so dachte, aber je länger sie in der nachmittäglichen Stille beim Nähen über die Sache nachdachte, desto deutlicher schälte sich diese Tatsache heraus. Die Teile des Ganzen fügten sich dermaßen nahtlos zusammen, dass man nicht umhinkam, den entsprechenden Schluss zu ziehen.
Schon seinerzeit in Bordeaux, als sie zum ersten Mal darauf zu sprechen kam, war ihm das Schicksalhafte an ihrer Begegnung nicht bewusst geworden. Dabei war Sophie überzeugt gewesen, dass er denselben Anstoß fühlen musste wie sie. Jetzt fragte sie sich, ob sie wohl fälschlicherweise glaubte, er müsse eigentlich genauso fühlen wie sie. Seit jener Begegnung nahm er es eher widerwillig hin, dass sie sich in sein Leben drängte. Offenbar sah es so aus, als setze sich Hugues mit aller Macht gegen die Vorsehung zur Wehr. Wieso hätte Sophie ihm sonst wieder und wieder diese fundamentale Ausgangslage
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