Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33
flüsterte sie tonlos.
Hugues beseitigte mit dem Daumen die letzten Tränen.„Möchtest du darüber sprechen?“ Offenbar ahnte er, dass sie auch in der Nacht zuvor einen Albtraum gehabt hatte. Sie überwand sich und hob den Blick, und als sie in seine Augen sah, schmolz sie innerlich dahin, weil sie erkannte, wie sehr er mit ihr litt.
„Ich kann nicht“, gestand sie ihm, worauf er nur knapp den Kopf neigte und dabei wie zufällig den Blick auf ihren Mund senkte. Mit der Spitze des Daumens glitt er sacht über Sophies Lippen, bis sie sich bei seiner Berührung leicht öffneten. Sein Blick ging zurück zu ihren Augen, in denen er nun Leidenschaft aufflackern sah. Doch als Sophie sich ihm zuneigte, riss er sich rasch zusammen und stand auf.
„Mein Strohsack“, brachte er hastig hervor und wies auf sein Lager, wobei es Sophie schien, als müsse er mühsam schlucken, ehe er überhaupt ein Wort herausbrachte. „Wenn es dir wieder besser geht, lasse ich dich jetzt schlafen“, fügte er noch hinzu. Sophies Brust entrang sich ein stockendes Seufzen, denn plötzlich fiel ihr auf, wie riesig das Bett mit seiner leeren Matratze wirkte.
Hast du etwa wieder einmal alles verdorben? Es schien ihr unmöglich, in diesem Augenblick allein zu sein. Sie wandte sich abermals an Hugues, der sie aufmerksam betrachtete.
„Könntest du mich eine Weile halten?“, fragte sie leise, und durch die Dunkelheit hindurch begegneten sich ihre Blicke. Als sie spürte, dass er drauf und dran war, sich ihr zu entziehen, konnte sie nicht anders, als ihn zu bitten – auch wenn sie sich und ihre Schwäche heimlich verfluchte.
„Ich bitte dich, Hugues“, fügte sie leise hinzu. Er tat einen stockenden Atemzug und nickte, ehe er sich zögernd wieder zu ihr aufs Lager setzte.
Ungewohnt linkisch kroch er zu ihr ins Bett. Sophie aber war dermaßen erleichtert, dass ihr dies herzlich egal war. Vertrauensvoll kuschelte sie sich an seine Schulter, und die Art, wie er dabei erstarrte, verriet ihr, dass er dies offenbar nicht erwartet hatte. Sophie aber kümmerte sich nicht darum, und als sich wenige Augenblicke später sein Arm schützend um sie legte, seufzte sie behaglich, so sicher und geborgen fühlte sie sich. Umhüllt von seinem männlichen Duft schlief sie wieder ein.
Hugues jedoch zählte wieder und wieder die Deckenbalken, vier an der Zahl, zuerst von links nach rechts, dann umgekehrt. Verdrossen versuchte er, sich mit dem Gedanken abzufinden, dass er Sophie nur im Arm hielt, damit sie ruhig schlafen konnte.
Hatte er sich eigentlich jemals so sehr nach einer Frau gesehnt? Er konnte sich nicht entsinnen, je so ein quälendes Verlangen verspürt zu haben. Bei jenem Ausdruck vorhin in ihren Augen hatte es ihn mit jeder Faser seines Körpers danach verlangt, sie zu küssen. Nur wusste er leider allzu gut, dass sein Sehnen mittlerweile so stark war, dass es ihn all seine Kraft gekostet hätte, es bei einem Kuss zu belassen. Und was für ein Mann wäre das gewesen, der eine Frau, die noch unter dem entsetzlichen Eindruck eines Albtraumes stand, schamlos ausgenutzt hätte?
Sie wollte ja nur im Arm gehalten werden, mehr nicht; und vermutlich hätte jeder andere Mann diesen Zweck ebenso gut erfüllen können. Stirnrunzelnd sah er hinunter auf die goldblonde Schöne neben ihm und zwang sich, dem Drang zu widerstehen, sie einfach zu wecken und so lange zu rütteln, bis sie sich erinnerte, dass er es war, den sie begehrte, dass sie doch füreinander bestimmt waren. Niedergeschlagen seufzte er auf und spürte, wie sie im Schlummer ganz leise aufbegehrte, sobald er sich auch nur regte.
Ein Albtraum … Was mochte diesem sanften Wesen mit dem stählernen Willen wohl auf der Seele lasten? Seit ihrer ersten Begegnung war Sophie vor nichts zurückgeschreckt – außer vielleicht vor ihm, wie er zerknirscht einräumen musste. Ja, ihre Flucht aus Bordeaux, ihr Überlebenskampf an der Küste, all das zeugte von einer Beherztheit, wie sie selten war für das schöne Geschlecht. Und Sophie war tatsächlich schön, wie ein Blick auf ihr Gesicht bewies. Bei diesem Gedanken schmiegte er sie noch enger an sich.
Nun, falls er dazu beitragen konnte, ihr die Albträume auszutreiben – an ihm sollte es nicht scheitern. Und eines Tages, Schicksal hin oder her, würde ihm auch noch mehr gelingen als nur das.
Als die hellen Sonnenstrahlen durch die dicken Fensterscheiben krochen, wachte Sophie auf und räkelte sich genüsslich. Im nächsten Moment erstarrte sie,
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