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Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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gestattet hatte, für ein paar Stunden ihren Traum zu leben. Wäre sie klug, würde sie ihn noch einmal leidenschaftlich küssen und dann gehen. Wäre sie klug, würde sie sein Haus mit großen Schritten hinter sich lassen und sich nicht umsehen.
    Aber sie war nie klug gewesen, was Douglas betraf. Wäre sie es gewesen, hätte sie die letzten neun Jahre nicht in einem Kloster eingesperrt verbracht.
    In ihrer ersten Zeit im Ordenshaus wurde sie nachts oft von dem Wind geweckt, der um das Gemäuer heulte, einem Geräusch, das dem Weinen eines Säuglings ähnelte. Dann spürte sie die Kälte in ihrer Zelle, und ihre heißen Tränen fühlten sich an, als erstarrten sie auf ihren Wangen zu Eis. Zwei Jahre vergingen, bis sie begriff, dass niemand sie retten würde. Und noch länger brauchte sie, um sich darüber klarzuwerden, dass sie in Gefangenschaft bleiben würde, bis sie eines Tages stürbe. Im Laufe der Zeit versiegten ihre Tränen, nur die Alpträume blieben, verwirrende, chaotische Ausdrücke ihrer abgrundtiefen Verzweiflung.
    Es kümmerte sie nicht mehr, was ihr im Kloster angetan wurde, welche Bestrafungen sie erduldete. Mit dieser Apathie ging eine Befreiung einher und später sogar ein Gefühl der Erlösung, und im Lauf der Zeit wurde sie in ihrer Schwäche stärker als jene, die sich ihr überlegen wähnten.
    Und sie erkannte, dass nichts die Vergangenheit wiedergutmachen könnte. Sie war da, anklagend und unerbittlich. Trotzdem wünschte Jeanne sich mit jedem Atemzug und jedem Schlag ihres Herzens, dass sie anders wäre.
    Sie stand auf und zog sich an, was mehr Zeit in Anspruch nahm als sonst, denn bei jedem Kleidungsstück, das ihre Haut berührte, hielt Jeanne in Erinnerung daran, wie Douglas’ Berührung sich an dieser Stelle angefühlt hatte, inne. Das Schnüren des Korsetts rief ihr die Liebkosung ihrer Brüste ins Gedächtnis, mit dem Arm in einen Ärmel zu fahren, einen Kuss auf den Arm.
    Als sie ihr Oberteil schloss, fiel ihr auf, dass etwas fehlte: Der Anhänger, den sie aus den Ruinen von Vallans geholt und seitdem jeden Tag getragen hatte, war nicht da. Wie hatte sie das Medaillon, das Geschenk ihrer Mutter, im Haus der Hartleys zurücklassen können? War das ein Omen? Obwohl sie nicht wirklich erwartete, das Schmuckstück dort zu finden, durchsuchte sie den Koffer, den Douglas ihr ins Gästezimmer heraufgetragen hatte. Zweimal.
     
    Douglas war wütend auf sich. Welcher Teufel hatte ihn da geritten? Er hatte der Frau beigewohnt, die er verabscheute. Er hatte sie geküsst und berührt, als empfinde er Achtung für sie. Sein Begehren hatte seine Vernunft außer Kraft gesetzt. Das hätte nicht geschehen dürfen. Aber es war geschehen. Großer Gott, es war geschehen.
    Nachdem er sie letzte Nacht zu ihrem Quartier geführt hatte, war er ruhelos in seinem Zimmer auf und ab gegangen und hatte an sie gedacht, beinahe den Teppich durchgelaufen und schließlich den Kampf gegen sich selbst verloren und sich vor dem Gästezimmer wiedergefunden.
    Ein Glück, dass Lassiter nicht mehr auf war – er hätte nicht gewusst, wie er es seinem Majordomus erklären sollte.
    Douglas betrat die Bibliothek und schloss die Tür hinter sich. Er hatte die Frau, die er zehn Jahre lang gehasst hatte, in sein Haus eingeladen – und was hatte er gedacht, als sie sichtlich erschöpft auf dem Sofa in seinem Salon saß? Nicht, dass jetzt der Moment gekommen war, sie anzuklagen. Nicht, dass jetzt der Moment gekommen war, Rache für Margaret zu üben. Nicht, dass jetzt der Moment gekommen war, Jeanne für ihre verabscheuungswürdige Tat zu bestrafen. Nein – er hatte gedacht, was für eine begehrenswerte Frau aus dem hübschen jungen Mädchen von damals geworden war!
    Die vergangene Nacht hatte gezeigt, dass er sich in ihrer Gegenwart nicht in der Gewalt hatte.
    Sie musste gehen. Sofort. Bevor ihn seine Begierde erneut überwältigte. Und seine Neugier.
    Ich hatte das Missfallen meines Vaters erregt.
    Sie hatte es ganz ruhig gesagt, nicht mitleidheischend, in das Einschlagtuch gewickelt mit erhobenem Kopf vor ihm gestanden, aber er hatte den Eindruck, dass ihre Haltung ohne das Laken nicht weniger stolz gewesen wäre. Jeanne besaß ein Selbstbewusstsein, wie er es noch bei keiner anderen Frau gesehen hatte.
    Douglas drückte mit dem Mittelfinger auf seine Nasenwurzel, um die Kopfschmerzen zu vertreiben. Er hatte eine Weile geschlafen und war dann mit Jeanne im Arm aufgewacht, und plötzlich waren alle vergessen geglaubten

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