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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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der billigen Horrorfilme, die die Bordärztin Chung manchmal in ihrer Kabine anschaute.
    Carima beugte sich näher an das Glas, bis sie Auge in Auge mit Lucy war. »Ich werde sehr gerne zu ihr kommen, wenn sie verspricht, mich nicht zu beißen. Aber ich muss erst um Erlaubnis fragen, ob ich mal rausdarf aus der Station. Kannst du ihr das sagen?«
    »Mach ich.« Wenn andere Leute in der Nähe waren, benutzte Leon Handzeichen, damit es so aussah, als verständige er sich auf die gleiche Art mit Lucy wie Billie, Tom und Julian mit ihren Tieren. In der künstlichen Sprache Dolslan, die eigentlich für die Verständigung mit zahmen Delfinen entwickelt worden war. Einmal hatte er versucht, Tim gegenüber anzudeuten, wie Lucy und er sich wirklich unterhielten, doch Tim hatte es für einen herrlichen Witz gehalten. Seither hatte Leon nicht mehr darüber gesprochen.
    Ich beiße nicht Menschen. Wieso muss sie fragen? Ist sie ein Jungtier wie du? Inzwischen klebte Lucy mit allen acht Armen an der Scheibe. Sag ihr, ihre Augen sehen aus wie kleine Glaskalmare.
    Leon verschränkte die Arme. So einen Mist sage ich ihr nicht! Willst du, dass ich mich noch mehr blamiere?
    Fasziniert legte Carima eine Hand mitten auf das Bullauge. »Was macht sie eigentlich jetzt gerade?«
    Leon schaute hin. »Wieso? Sie macht gar nichts.«
    »Doch. Sie bläst Wasser aus oder so.«
    »Ach, das meinst du. Sie atmet.« Leon suchte kurz nach Worten. »Sie saugt Wasser in ihre Körperhöhle – dort sitzen die Kiemen – und pustet es anschließend durch diese runde Öffnung da wieder aus. Den Siphon. Wenn sie Wasser sehr schnell ausstößt, kann sie dadurch davonsausen wie eine Rakete.«
    Was redet ihr?, drängelte Lucy.
    Sie wollte wissen, wie du atmest.
    Drei Herzen habe ich, sag ihr das!
    Okay. Wenn du unbedingt herumprahlen willst, dann erzähle ich ihr das auch noch. Es irritierte Leon ein bisschen, dass sich seine Krake so gut mit diesem Mädchen verstand. Hätten die beiden sich von Kopf zu Kopf unterhalten können, wären sie bestimmt sofort in ein echtes Mädchengespräch abgetaucht.
    »Sind Kraken wirklich so intelligent, wie man sagt?«, fragte Carima jetzt.
    Diese Frage war leicht zu beantworten. »Oh ja. Das macht es auch so schwer, sie in Aquarien zu halten – sie machen ständig Unsinn«, berichtete Leon. »Ich habe von einer Krake gehört, die nachts aus ihrem Becken geklettert ist und in den benachbarten Aquarien die Fische weggefangen hat. Dann ist sie in ihr eigenes Bassin zurückgekehrt und hat ganz unschuldig getan. Wenn die feuchte Spur auf dem Boden nicht gewesen wäre, wären die Pfleger nie darauf gekommen, was passiert ist.«
    »Ganz schön hinterlistig!«
    »Na ja. Eher raffiniert.« Voller Zuneigung legte Leon die Hand gegen die Scheibe, hinter der Lucy gerade ungeduldig herumzappelte.
    »Leon und Lucy – das passt schon vom Klang zusammen«, meinte Carima. »Ihr seid ein perfektes Paar.«
    Ein perfektes Paar. Sie hatte es nicht ironisch gesagt, sondern leichthin, als Kompliment vielleicht sogar. Und doch erschreckte die Bemerkung Leon, sträubte sich etwas in ihm dagegen …
    Schon sprach sie weiter. »Hat deine Krake eigentlich schon mal in einem Film mitgespielt? In Fluch der Karibik 7 wäre sie bestimmt der Hit gewesen.«
    »In was?«
    »Du kennst Fluch der Karibik nicht? Aber ihr habt doch sogar einen Kino-Raum auf der Station, hat mir Julian erzählt, und ihr könnt jeden beliebigen Film runterladen, von Büchern ganz zu schweigen …«
    Leon spürte, wie sein Gesicht heiß wurde. Verdammt, lief er jetzt etwa rot an? »Ja, schon, aber öfter als einmal die Woche kommen wir eigentlich nicht dazu, irgendwas zu gucken. Zu viel zu tun.«
    »Einmal die Woche Fernsehen?« Ungläubig blickte Carima ihn an. »Und dann auch noch winzige Zimmer und mieses Essen – sag mal, wieso bleibst du überhaupt hier, das ist doch kaum besser als im Knast!«
    Kaum besser als im Knast? Einen Moment lang war Leon sprachlos. Und er kam auch nicht mehr dazu, etwas zu antworten, denn in diesem Moment kündigte Lucy an, dass noch jemand kam. Leon wandte sich um.
    »Ach, hier bist du, Darling!«, rief die zierliche blonde Frau, die gerade durch das Schott stieg. Kaum hörte Carima die Stimme ihrer Mutter, richtete sie sich auf und plötzlich war ihr Gesicht abweisend und kühl. Leon erschrak fast.
    »Kannst du mich nicht mal eine Minute in Ruhe lassen?«
    »Was heißt hier in Ruhe lassen?« Die grauen Augen der Frau wirkten von einem Moment auf

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