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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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noch das Aufblitzen eines zitronengroßen Leuchtorgans. Moment mal, das kam ihm bekannt vor! Leon rollte sich auseinander, ergriff seine Lampe. Einen Sekundenbruchteil lang erfasste das Licht große Glotzaugen, zwei schwingende Flossen und einen Fangarm mit krallenbewehrter Keule am Ende. Ein Raubkalmar der Art Taningia danae , und zwar unter Garantie nicht irgendeiner. Verdammt – das ist Margaret, und das blöde Vieh hat mich angegriffen! Hat sie mich zu spät erkannt oder ist sie genauso durcheinander wie alle anderen Meerestiere zurzeit?
    Weh tut dir was? Lucy spähte aus einem Versteck unter der Station heraus.
    Nee, ich bin nicht verletzt. Wütend drückte Leon eine Signaltaste auf dem Gerät an seinem Handgelenk und ein akustisches und optisches Rufsignal schallte und blitzte durchs dunkle Meer. Nur Sekunden später war Margaret wieder da und tat so, als sei sie zahm wie ein Kätzchen. Leon machte sich daran, sie auszuschimpfen, so gut wie es mit Handzeichen eben ging. Das Problem war, Margaret beherrschte nur zehn Kommandos – Shola war inzwischen bei rund vierzig. Mehr als ein Nein. Nein. Nein. Mensch. Stopp! kam bei der Strafpredigt also nicht heraus. Mit ausdruckslosen Augen beobachtete ihn der Kalmar.
    Ein Warnhinweis seiner OxySkin lenkte Leon ab. PFC PRESSURE LOW , blinkte sie eindringlich. Dort wo Margaret ihn mit einem ihrer krallenbewehrten Fangarme getroffen hatte, hatte der Anzug ein Leck und das lebenswichtige Perfluorcarbon trat aus. Mit einem saftigen Fluch und einem kurzen Abschiedsgruß an Lucy machte sich Leon auf den Rückweg in die Station.
    Dort wurde er schon erwartet, wie sich herausstellte – von Kovaleinen, James Ellard und Louie Clément. Ein Blick in ihre Gesichter machte Leon klar, dass er diesmal in ernsten Schwierigkeiten steckte.
    Schweigend warteten die drei Besatzungsmitglieder, bis er seinen Anzug abgelegt hatte, den Louie mit empörten Rufen in Empfang nahm und eilends zur Reparatur brachte. Dann begann Ellard zu sprechen.
    »Ich fürchte, diesmal ist es mit einer einfachen Ermahnung nicht mehr getan, Leon. Es ist keine Kleinigkeit, einen direkten Befehl zu missachten. Und es ist keineswegs das erste Mal, das wissen wir beide. Das bedeutet, du stehst ab sofort unter Arrest.«
    Arrest? Was genau bedeutete das? Verkrampft stand Leon da, versuchte Ellards Blick auszuhalten und gleichzeitig wieder normal zu atmen. Diese scheußlich dünne Luft!
    Jetzt war es Matti Kovaleinen, der das Wort ergriff. »Die Chefin selbst will mit dir sprechen – an Bord der Thetys . Pack deine Sachen. Um fünf Uhr Bordzeit, also in einer Stunde, fährst du mit der Marlin ab.«
    »Nach oben?«, fragte Leon geschockt.
    »Ganz genau«, sagte Ellard scharf. »Nach oben!«

Oben
    Bei ihrem Ausflug zu der Macadamia-Plantage war Carima nicht richtig bei der Sache und ihre Mutter merkte es. Auf der Rückfahrt fragte sie: »Wie wäre es, wenn wir morgen noch mal tauchen gehen?« Sie hatte wieder diese gespielte Fröhlichkeit angeschaltet, die genauso echt wirkte wie eine Kroko-Handtasche aus Plastik.
    Carima wollte den Kopf schütteln. Nein. Zu viele seltsame, traurige und furchterregende Dinge hatten sich im Wasser rund um Hawaii abgespielt. Doch dann hörte sie sich selbst »Ja, gute Idee!« sagen. Verblüfft horchte sie in sich hinein, versuchte herauszufinden, woher dieses Ja gekommen war, was sich in ihr verändert hatte. Bisher war das Tauchen ein netter Zeitvertreib gewesen, mehr nicht, doch jetzt … etwas war anders geworden. Es war wie ein Ruf, den nur sie hören konnte, der durch ihren Bauch vibrierte wie die Basstöne auf einem Rockkonzert. In Gedanken sah sie das Meer vor sich, tief und dunkel und geheimnisvoll, und sie wusste, dass sie Angst davor haben würde, und doch sehnte sie sich danach. War es das, was Leon spürte, nur noch hundertmal stärker?
    »Wir könnten diesen Nachttauchgang mit Manta-Rochen machen, den sie in Kona anbieten«, schlug ihre Mutter vor. »Die Veranstalter locken mit starken Scheinwerfern Plankton an, und so gut wie immer kommen Mantas, um sich daran satt zu fressen. Und flattern dabei mitten zwischen den Tauchern hindurch.«
    »Wie cool!«, entfuhr es Carima. »Oh ja, lass uns das machen.« Einen Moment lang lächelten sie sich beide voller Vorfreude an. Ganz spontan.
    Aus irgendeinem Grund erinnerte Carima sich plötzlich an die schrecklichen Minuten des Seebebens – und daran, wie viel Angst sie um ihre Mutter gehabt hatte. Auf einmal hatte sie Lust, dieser

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