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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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Lucys letzten bekannten Position. Er spürte, wie Lucy mit neuer Energie neben ihm dahinflog, »jetten« nannte man es, wenn eine Krake Wasser ausstieß und durchs Meer schoss wie ein Torpedo, die Arme hinter sich herziehend.
    Flink sind wir, flink!, jubelte sie. Keiner fängt uns!
    Der Fisch, der am meisten prahlt, wird am schnellsten gefressen, gab Leon grinsend zurück.
    Sie befanden sich jetzt über den Überresten einer unterseeischen Rutschung. Wahrscheinlich jede Menge Geröll am Meeresboden und gute Möglichkeiten, sich zu verbergen. Doch zwischen ihnen und dem Boden lagen gut hundert Meter offenen Wassers, ungeschützter Raum …
    Leon blickte zurück. Undurchdringliches Schwarz in allen Richtungen, die Scheinwerfer waren nicht mehr zu sehen. Er und Lucy hatten schon ein ordentliches Stück Weg im Schutz der Ruderfußkrebse zurückgelegt, doch ewig konnten sie hier nicht bleiben. Wenn der Pilot etwas auf dem Kasten hatte, würde er beginnen, gezielt die Planktonschicht abzusuchen.
    Das Sonar der SeaLink hat nur eine Reichweite von tausend Meter. Mit etwas Glück sind wir da schon raus. Wollen wir es wagen – runter zum Boden?, fragte er, und als von Lucy ein kräftiges Ja kam, verlor Leon keine Zeit, sondern schwamm senkrecht hinab. Schwerelos in der Dunkelheit schwebend konnte man nur schwer feststellen, wo überhaupt oben und unten war. Doch Leon war längst gewohnt, in sich hineinzulauschen, jeden noch so kleinen Hinweis seines Gleichgewichtsorgans aufzunehmen. Und im Zweifelsfall fragte er einfach sein DivePad oder Lucy.
    Sechshundert Meter Tiefe, sechshundertfünfzig. Hatte das Tauchboot sie doch noch auf dem Sonar, änderte es schon den Kurs?
    Unten angekommen! Leon ging das Risiko ein, ließ ganz kurz seine Lampe aufblitzen und prägte sich ein, wie die Gegend aussah. Sie war eine bittere Enttäuschung. Hinter einem Felsbrocken hätte das Sonar sie nicht mehr erfassen können, doch keiner der Steine auf dieser kahlen, schlammigen Ebene war auch nur im Entferntesten groß genug, um sich dahinter zu verstecken. Sie mussten schnellstens weiter!
    Hier, dicht über dem Boden, war es Lucy, die ihn leitete, damit er nicht blind gegen ein Hindernis schwamm. Ihre Verbindung war jetzt so stark, dass es sich anfühlte, als seien es seine eigenen Sinne, die noch die kleinste Wasserbewegung spürten, seine Arme, die flink und sicher über die Steine tasteten.
    Doch dann nahmen seine Ohren wieder dieses Summen auf und Leon erschrak. Die SeaLink näherte sich – er konnte schon das Geräusch ihres Sonars hören. Verdammt!
    Normalerweise achtete Leon darauf, nie den Meeresboden zu berühren. In vielen Gegenden der Tiefsee bestand er aus sehr feinem Schlamm, der aufgewirbelt wurde, wenn man dicht über dem Grund achtlos mit den Flossen schlug. Und eine solche Wolke nahm einem nicht nur die Sicht, wenn man versuchte, die Lampe einzuschalten, sie störte auch all die vielfältigen Meerestiere, die am und im Boden lebten. Doch diesmal hatte Leon keine Wahl. Er stampfte ein paarmal kräftig auf und wusste, dass jetzt um ihn und Lucy herum dichte grau-beige Wolken aufwirbelten. Wolken, die das Sonar fälschlich als Meeresboden interpretieren würde.
    Was machst du?, fragte Lucy verblüfft. Vielgroßen Schreck hatte ein Seestern!
    Er soll sich glücklich schätzen, dass ich nicht auf ihn draufgetreten bin, gab Leon zurück. Pass auf, vielleicht fährt das Tauchboot jetzt ein ganzes Stück weit an uns vorbei, weil es uns nicht mehr auf dem Bildschirm hat.
    Das Summen wurde lauter. Leon duckte sich in die Sedimentwolke und hoffte, dass das Tauchboot in einiger Entfernung vorbeiziehen würde. Doch der Pilot schien hartnäckig zu sein. Anscheinend hatte er sich jetzt darauf verlegt, einen zickzackförmigen Kurs zu fahren. Dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis er im Licht der Scheinwerfer die Wolke bemerkte … Hatten sie denn überhaupt kein Glück heute?!
    Jetzt gab es nur noch eine Möglichkeit, sich zu verstecken. Eine, über die Leon bisher lieber nicht nachgedacht hatte, weil man dafür eine Menge Geschick und vor allem Frechheit brauchte.
    Wortlos verständigte er sich mit Lucy, zeigte ihr ein Bild dessen, was er vorhatte. Ein Schwall entsetzter Gedanken kam zurück, dann ihre zögerliche Zustimmung.
    Sie wusste ebenso gut wie er, dass es ihre letzte Chance war, unentdeckt zu bleiben.

Der Gigant
    Seite an Seite pirschten sie sich aus der Schlammwolke hinaus und glitten hinter einen kleinen Felsen, der ihnen

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