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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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vorübergehend Schutz bot. Das Tauchboot war keine fünfzig Meter entfernt, sie sahen es von der Seite. Ja, es war wirklich die SeaLink , Leon konnte sogar die Pilotin und ihren Begleiter – Johannes Mattern! – erkennen, die in der großen vorderen Plexiglaskuppel saßen. Und dort am Bug war tatsächlich etwas angebracht, das wie eine Abschussvorrichtung für Betäubungspfeile aussah.
    Leons ganzer Körper war gespannt wie eine Sprungfeder, während er auf den richtigen Moment wartete. Noch nicht … noch nicht … jetzt! Gerade wandte sich das Tauchboot auf seinem Zickzackkurs von ihnen weg – und Leon und Lucy schossen los.
    Auf die SeaLink zu.
    Fast alle Tauchboote waren so konstruiert, dass Pilot und Beobachter nach vorne oder höchstens schräg zur Seite blickten. Kameras, Scheinwerfer – alles war am Bug angebracht und zeigte in dieselbe Richtung: nach vorne. Selbst das Sonar strahlte seine Impulse fächerförmig in Fahrtrichtung und nach unten ab. Nach hinten dagegen waren die Menschen an Bord völlig blind, falls sie nicht zusätzlich einen ROV, einen mit einer Kamera bestückten Unterwasserroboter, dabeihatten.
    Meist war diese Orientierung nach vorne auch völlig ausreichend, denn kein Wissenschaftler rechnete ernsthaft damit, dass sich ein Tiefseewesen in übler Absicht von hinten an sein Fahrzeug heranpirschen könnte. Das, was Leon vorhatte, war vermutlich eine Premiere.
    Kein ROV, oder? Siehst du einen?
    Nein. Kein Kleinding.
    Gut! Dann haben wir eine Chance . Leon schwamm jetzt schneller, als seine OxySkin für ihn Sauerstoff aus dem Meer ziehen konnte. Für solche Sprints war sie nicht konstruiert, Leon bekam kaum genügend Flüssigkeit in die Lungen. Mit angehaltenem Atem zwang er sich weiter … und erreichte endlich das dunkle Heck des Tauchboots, das sich langsam von ihm entfernte. Seine Hände schlossen sich um eine Metallstrebe und dann hing er keuchend an der SeaLink . Neben ihm heftete sich Lucy mit ihren Saugnäpfen lautlos an den metallenen Rumpf.
    Ungläubige Erleichterung durchflutete Leon. Das Tauchboot fuhr einfach weiter, er konnte sogar ganz gedämpft hören, wie sich Mattern und die Pilotin im Inneren unterhielten. Anscheinend hatten sie nicht gemerkt, dass sie zwei blinde Passagiere hatten.
    Leon versuchte, wieder langsam zu atmen, und die OxySkin mühte sich ihrerseits redlich, ihn wieder mit genügend Sauerstoff zu versorgen.
    Einer von Lucys Armen ringelte sich um ihn. Ihre Gedanken klangen besorgt. Mein Freund? Genug Lebensstoff?
    Ja, das wird schon wieder. Vergnügt kraulte Leon seine Partnerin zwischen den Augen. Jetzt fahren wir Bus. Entspann dich und hab Spaß.
    Lucy ruhte ein bisschen, doch Leon war nicht nach einem Nickerchen zumute, er fühlte sich so lebendig wie lange nicht. Endlich wieder im Meer, endlich zurück in der Tiefe! Der Krach und die Lichter des Tauchboots verscheuchten zwar mindestens die Hälfte aller Tiere in der Gegend, doch auch der Rest war noch sehenswert. Pulsierend driftete eine zarte, fingerlange Qualle vorbei, auf ihrem Körper glommen rote und blaue Lichter. Ein Wesen wie aus einem Traum, fremdartig und schön. Ein junger, fast durchsichtiger Kakadu-Kalmar schwamm dicht an Leon vorbei und nahm dann wieder seine Ruhestellung ein, Arme und Tentakel über dem Kopf tragend, sodass sie wie ein Federbüschel aussahen. Sein Körper wirkte so zerbrechlich wie eine Glasfigur, und man sah ihm nicht an, dass er ausgewachsen fast so groß sein würde wie Lucy.
    Gemächlich setzte der Kalmar seine Reise fort, doch dann geriet er in den Bann der Tauchboot-Scheinwerfer – und wurde vom Sammeltrichter der SeaLink eingesogen. Mit diesem Instrument fingen Forscher Tiere aus der Tiefsee, um sie später an Bord zu bestimmen. Es war verglichen mit den Schleppnetzen, die üblicherweise in der Forschung eingesetzt wurden, eine sehr schonende Methode, doch Leon ärgerte sich trotzdem darüber, dass sie den kleinen Kalmar erwischt hatten. Lange würde er sein Abenteuer auf der Thetys sicher nicht überleben.
    Rachsüchtig untersuchte Leon das Heck der SeaLink , ließ die Hände über die Kabel gleiten, die er fand. Zu seiner Ausrüstung gehörte ein Tauchermesser mit gezackter Klinge, das dazu diente, sich freizuschneiden, wenn man sich am Meeresgrund zum Beispiel in einem alten Fischernetz verfangen hatte. Es lag in Leons Macht, jetzt eins dieser Kabel durchzusägen …
    Leon erschrak über seine Gedanken und verbannte sie schnell aus seinem Kopf. Was war nur los

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