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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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dreckigen Putzlappen zu. »Während du deine Hirnverstopfung kurierst, könntest du mal das Deck schrubben.« Er warf einen Blick auf die bläulich-durchsichtige Pfütze auf dem Deck, schüttelte den Kopf und kletterte hinunter in den Laderaum der Lovely Lucy .
    Mit ein paar Eimern Meerwasser spülte Leon das Deck sauber. Immer wieder musste er sich gegen die Bordwand lehnen, seine Beine zitterten. Hoffentlich wurde er nicht krank. Nein, er war nur entsetzlich müde – auf dem Weg zum Lo’ihi war das Schlafen irgendwie zu kurz gekommen. Und die Wellen waren inzwischen höher, als ihm lieb war, schon jetzt sehnte er sich unter die Oberfläche des Meeres zurück, wo es keinen Seegang gab und keine irren Typen wie diesen Jonah.
    Der tauchte gerade wieder auf und wickelte aus einer gammeligen Plastiktüte ein Stück Fisch, das aussah, als wäre es mal ein Gelbflossen-Thun gewesen. Mit einem Feuerzeug zündete Simmonds den Brenner über einer rostigen Gasflasche an, warf den Thunfisch in eine Pfanne und brutzelte los. Ungläubig sah Leon zu. Offenes Feuer auf einem Boot, bei diesem Seegang? Der Typ war noch schräger drauf, als er gedacht hatte. Aber der brutzelnde Fisch roch lecker.
    »Willst ’n Stück?«, fragte Simmonds und rückte seine speckige Basecap zurecht. »Selbst geangelt. Ich versorg mich immer selber, im Laden muss ich fast nix kaufen. Außer Bier natürlich, haha.«
    »Äh, ja, gerne. Und könnten Sie mir eventuell ein paar Sachen zum Anziehen geben?« Leon hatte die OxySkin bis zur Hüfte heruntergekrempelt, und es wäre ihm lieber gewesen, sie ganz ausziehen zu können. »Ich kann Ihnen leider kein Geld geben dafür.«
    Weder auf Benthos II noch auf der Thetys hatte er Geld gebraucht, und in der kleinen wasserdichten Tasche seines Werkzeuggürtels steckte kein einziger Dollar, sondern nur ein zu einem winzigen Viereck zusammengefaltetes Blatt mit Zahlen und Daten darauf.
    Wieder lachte Simmonds. »’n echter Schiffbrüchiger! Ja, ich hab was, Sekündchen. Halt mal die Pfanne.«
    Ein paar Minuten später trug Leon ein altes schwarzes T-Shirt und eine verblichene Jeans, die am Knie eingerissen war und hier und da ein paar Ölflecken hatte. Ohne Gürtel hätte er die Hose sofort wieder verloren, denn er war sehr viel schmaler gebaut als Simmonds, doch zum Glück waren sie wenigstens gleich groß. Seine OxySkin und der Werkzeuggürtel steckten in einem Sack aus Segeltuch, der steif war von getrocknetem Salzwasser.
    »Hier, hau rein.« Ein Teller mit nichts als einem heißen, fettigen Stück Thunfisch darauf wurde Leon in die Hand gedrückt. Leon lief das Wasser im Mund zusammen. Nach Tagen der intravenösen Ernährung war das hier ein Fünf-sterneessen.
    Trotzdem bot er Chili, der Schiffskatze, einen Brocken davon an. Immerhin war sie so nett gewesen, nicht die Krallen in seine Partnerin zu schlagen. Doch Chili schnupperte nur einmal verächtlich und zog sich dann zurück.
    »Mach dir keine Mühe, der mag keinen Fisch«, grunzte Simmonds. »Frisst nur Dosenfutter, das verwöhnte Vieh.«
    Sie aßen eine Weile schweigend. Vor ein paar Jahren hatte Leon überlegt, ob er Vegetarier werden sollte. Doch so richtig geklappt hatte es nie, denn anonyme Schwarmfische zu essen machte ihm eigentlich nichts aus. Nur bei Fischen mit einer eigenen Persönlichkeit zog er die Grenze. Und als er in einem Hafen von Maui gesehen hatte, wie Sportfischer sich stolz mit ihrem Fang – einem fast vier Meter langen Schwertfisch – fotografierten, hatte er sich voll Wut und Trauer abgewandt. Zu schlimm war es, diesen prachtvollen Herrscher der Meere hilflos an der Schwanzflosse aufgehängt zu sehen.
    »Geht’s Lucy gut?«, fragte Simmonds jetzt und stellte seinen Teller weg. Seine breiten, schwieligen Hände verkrampften sich in seinem Schoß. »Sag es mir, bitte, es ist wichtig, weißt du.«
    Oh Mann, jetzt saß er wieder in der Falle. Leon entschied sich dafür, die Wahrheit zu sagen – seine Wahrheit. »Ja, es geht ihr gut. Sie ist nur ein bisschen erschöpft.«
    »Arbeitet mal wieder zu viel, was?« Simmonds’ Lachen klang zittrig und in seinen Augen stand ein seltsamer Ausdruck. »Als ich sie zuletzt gesehen hab, hatte sie noch diesen Kellnerinnenjob bei Joey’s, echte Knochenarbeit. Sie hätte mitkommen sollen raus aufs Meer, das hätte ihr gutgetan.«
    Leon wusste genau, was er meinte. Ja, das Meer konnte einem guttun. Sehr sogar. Plötzlich tat Simmonds ihm leid. »Wie lange kennen Sie sie schon?«
    »Fünf Jahre.

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