Ruf der Vergangenheit
„Himmel“ ihres geistigen Netzwerks kleiner als das unendlich weite Medialnet, aber er war bunt und voller Verbindungen.
Von seinem Standpunkt aus konnte er die starken Bänder zu seinen Großeltern sehen – das Band zu seiner Großmutter mütterlicherseits war am kräftigsten, aber verbunden war er mit allen vieren, und beide Paare hatten auch Verbindungen zueinander, wenn auch weit schwächere. Andere Bänder führten zu Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen, zu allen Freunden. Manche waren stark, andere schwächer oder kurz vor dem Zerreißen.
Und dann gab es noch das eigenartige, fast unsichtbare, dunkle Band zu seinem Vater.
Die vielen sich überkreuzenden Bänder machten es schwer, sich im Netz zurechtzufinden. Die meisten Vergessenen folgten einfach den Verbindungen, bis sie auf die gewünschte Person trafen – manchmal waren die Bänder so verschlungen, dass mehrere Versuche nötig waren, um das richtige Band zu finden. Aber das von Dev gesuchte leuchtete schon von Weitem – hell wie Silber und unzerstörbar wie Titan.
Seine Großmutter mütterlicherseits würde sich von niemandem belügen lassen.
Der Gedanke an diese Frau, die er schon geliebt hatte, als er zum ersten Mal die Augen aufschlug und sah, wie sie über ihn wachte, brachte ihn zum Lächeln, er schoss das silberne Band entlang und „klopfte an“. Sie antwortete sofort. Eine Unterhaltung im Schattennetz war schwierig, weil es so viel „Lärm“ gab, deshalb wechselten sie auf das emotionale Band zwischen ihnen, um direkt zu kommunizieren – und um das in einer völligen Privatsphäre zu tun.
„Devraj.“ Die Energie seiner Großmutter war stark und schön, wie würziger Weihrauch und warmes Silicium. „Ist es nicht ein bisschen spät, Beta ?“
Nur seine Großmutter nannte ihn „Geliebtes Kind“ in der Sprache seiner Mutter. „Ich dachte, du würdest vielleicht noch an deinen Kunstwerken arbeiten.“
„Mit dem Alter gebärdet sich Glas immer starrsinniger. Heute wollte ich ein Fenster fertigstellen, aber das Rot hat sich verweigert. Es ist Orange geworden.“
Sie sprach von ihrem wertvollen Glas stets, als sei es ein Lebewesen. „Mein Geburtstagsgeschenk habe ich immer noch nicht bekommen.“
„Kleiner Frechdachs.“ Er spürte etwas in seinem Kopf, einen liebevollen Kuss auf die Stirn. „Du bekommst, was du verdienst.“
Er lachte – so echt konnte er das mit sonst niemandem – nur mit ihr, die ihn liebte, selbst wenn er sich selbst hasste. „ Nani .“ Das war der Hindi-Ausdruck für die Mutter der Mutter. „Ich brauche einen Rat.“
„In den letzten Jahren bist du einen einsamen Weg gegangen.“
„Ja.“ Er hatte seine Großmutter nie angelogen. Vielleicht hatte er ihr ein paar dunkle Geheimnisse vorenthalten, aber er hatte nie gelogen.
„Ich weiß, dass du ohne Metall als Kind verrückt geworden wärst“, sagte sie und ihre liebevolle Wärme strich wie ein sanfter Wind über seine Sinne. „Aber du darfst nicht blind dafür sein, was es bei dir anrichtet.“
Dev wusste, dass inzwischen in jeder seiner Zellen Metall steckte. Manchmal war sein Verstand so kalt und ruhig, dass er sich fragte, ob überhaupt noch Blut in seinen Adern floss oder nicht etwas weit weniger Menschliches. „Ich kann genauso wenig damit aufhören, Metall auf mich zu ziehen, wie du deine Arbeit mit Glas sein lassen könntest.“ Eisen und Stahl, Kupfer und Gold, was immer es war, es erreichte ihn auf einer Frequenz, die nur er allein wahrnehmen konnte. „Es hilft mir dabei, zu tun, was getan werden muss.“
„Die Medialen zu verstehen?“
„Ja. Und Entscheidungen zu treffen, die getroffen werden müssen.“
Sie seufzte. „Aber Metall kann auch schmelzen, Beta . Es ist nicht immer fest und kalt.“
„Das ist das Problem. Etwas dringt durch meine Schilde.“
„Ohne dass du Einfluss darauf nehmen kannst?“
„Genau.“ Er erzählte ihr von Katya. „Ich bin der Direktor von Shine – Risse in meinen Schilden kann ich mir nicht erlauben.“
„Nein.“
„Ich sollte die Bedrohung eliminieren.“
„Du meinst, sie töten.“
„Ja.“
Seine Großmutter war nicht schockiert. Als junges Mädchen hatte sie zu den Soldaten der Vergessenen gehört. „Diese Katya nutzt deine Schwäche aus“, sagte sie.
Er hörte erneut Katyas Schreie in seinem Kopf, fragte sich, wie sie überhaupt überlebt hatte. „Nicht absichtlich.“
„Schon möglich.“ Seine Großmutter zögerte einen Moment. „Wenn sie eine Schläferin ist,
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