Ruf der Vergangenheit
könnte es sein, dass man sie ausgewählt … nein, dazu gebracht hat, deine Abwehr zu unterlaufen. Deine Vergangenheit ist zwar nicht allgemein bekannt, aber auch nicht geheim – dein Unterbewusstsein hat ihr doch schon längst die Tür geöffnet, selbst wenn du noch der Meinung bist, du könntest ihr den Zugang verwehren.“
Er spürte einen Knoten in der Brust, Stacheln im Herzen. „Wenn sie mir unter die Haut gehen sollte, haben sie das geschafft.“ Wie ein Stilett in einer dunklen Gasse war sie lautlos in sein Herz gedrungen.
„Ach, Devraj, du solltest nicht so tun, als würde man dich zum Narren halten.“ Liebe strömte zu ihm hin, vertraut wie das geschmolzene Silicium ihrer Glasarbeiten. „Ich freue mich für dich.“
„Warum?“
„Das zeigt doch, dass du immer noch ein Herz hast und nicht sofort zum Schlag ausholst. Und so bist du mir viel lieber als der kaltblütige General, der nur an Macht denken kann.“
„Meinst du, du könntest ihre Programmierung löschen?“, fragte er. Seine Großmutter besaß zwar nur mittlere Fähigkeiten im Senden, aber sie war außergewöhnlich gut darin, psychische Verstrickungen zu lösen – eine Gabe, die im Medialnet verloren gegangen war. Vielleicht war sie nach der Einführung von Silentium nicht mehr gebraucht worden.
Für die Vergessenen war sie aber sehr wichtig.
Nani hatte die wahnsinnigen Gedanken gelöst, die seinen Vater verfolgten. Sie kehrten regelmäßig zurück – in immer kürzeren Abständen –, aber inzwischen wussten sie, auf welche Anzeichen sie achten mussten. Beim ersten Mal … Dev schüttelte abwehrend den Kopf.
Katya bewegte sich, und seine Aufmerksamkeit wurde kurz auf die physische Seite seines Wesens gezogen. Er legte seine Hand um ihren Kopf und wiegte sie wieder in den Schlaf, dann kehrte er zu seiner Großmutter zurück.
„Ich müsste sie mir ansehen.“ Gelassen, aber prompt. „Du kennst ja die Schwierigkeiten – wir sind anders als die Medialen im Medialnet. Möglicherweise kann ich nicht einmal sehen, was sie bindet, geschweige denn die tiefere Programmierung entschlüsseln.“
„Momentan sollst du es ja auch noch nicht versuchen.“ Mittlere telepathische Fähigkeiten konnten viel Unheil bei einer Vergessenen anrichteten, die ihre Schilde senkte.
„Sag mir Bescheid, wenn du mich brauchst.“ Eine neuerliche Berührung. „Willst du noch mit deinem Nana sprechen?“
„Nein, lass ihn nur schlafen.“
„Er schläft nie, solange ich noch wach bin, das weißt du doch. Ein Sturkopf.“
Er schickte ihr einen Gutenachtkuss und verließ das Schattennetz. Der Weg zurück in den eigenen Kopf war leicht und so vertraut. Er konnte sich vorstellen, wie es für die Frau in seinen Armen war, von ihrem Netz abgeschnitten zu sein. Es musste sich anfühlen, als hätte man eines ihrer Gliedmaßen amputiert, musste klaustrophobische Ängste wecken.
Natürlich nur, wenn sie wirklich die Wahrheit sagte.
Diese Katya nutzt deine Schwäche aus.
Warum hatte er das nicht bemerkt? Als wäre jemand in seinen Geist eingedrungen und hätte genau die Frau geschaffen, der er nie etwas antun könnte, ganz egal, was er sich einredete. Selbst jetzt, da ihm noch die Worte seiner Großmutter in den Ohren klangen, konnte er Katya nicht zurückweisen … konnte sie nicht in die Dunkelheit zurückschicken.
Ihre Hand strich über seine Brust.
Mit zusammengebissenen Zähnen holte er Luft. Er war ein gesunder Mann im Vollbesitz seiner Kräfte – er mochte Frauen, und meist wurde das erwidert. Doch noch nie hatte er so nahe davor gestanden, die Kontrolle über sich zu verlieren. Zu viele widersprüchliche Gefühle stiegen in ihm auf – unter anderem eine Besitzgier, die seinen Tod bedeuten konnte.
„Dev“, beschwerte sie sich. „Hör auf zu denken.“
Er erstarrte. „Hast du das etwa gehört?“ Unmöglich. Der einzige Mensch, mit dem er je telepathisch kommuniziert hatte, war seine Mutter gewesen. Seit ihrem Tod hatte dieser Teil in ihm geschwiegen.
Katya schüttelte den Kopf und rieb sich die Augen. „Es ist, als würde etwas an meinen Schädel klopfen – bum, bum.“
Neugierig geworden, fuhr er mit den Fingern durch ihr Haar. „Woher weißt du, dass ich es war?“
„Fühlt sich nach dir an.“ Sie gähnte und schlug die Augen auf. „Du verursachst mir Kopfschmerzen.“
Er hätte Reue zeigen müssen. Doch er beugte sich über sie und stützte sich auf beiden Armen ab. Ihre Augen hatten ihn angezogen, große Seen, die ihn um etwas
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