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Ruf der Vergangenheit

Ruf der Vergangenheit

Titel: Ruf der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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baten, das er niemals jemandem würde geben können. Dieser Teil war in dem lichtdurchfluteten Raum zurückgeblieben, in dem sein Vater seine sonst so behutsamen Hände um den Hals seiner Mutter geschlossen hatte.
    Ein Schatten schob sich über die Haselaugen, als Katya schlaftrunken die Wahrheit erkannte. „Dev.“
    „Schsch. Sag nichts.“ Zur Sicherheit verschloss er ihr den Mund mit seinen Lippen, nahm ihr den Atem. Diesmal war er nicht zärtlich. Er drückte sie auf das Bett, streifte mit seinen Zähnen ihren Hals und hielt sich in ihrem Haar fest.
    Nur einen einzigen Kuss.
    Sie schlang die Arme um ihn, und er erlaubte sich einen Augenblick der Hingabe. Ihre Lippen trafen sich in einem sinnlichen Kuss, jeder Seufzer brachte sie der unerbittlichen Wahrheit näher: Dieser Augenblick, dieser Kuss war gestohlenes Glück. Nur zu bald würde die Wirklichkeit wieder über sie hereinbrechen. Und dann würde Dev entweder Katyas Lächeln zerstören, ihr das Herz brechen … oder jeden Schwur brechen, den er getan hatte.
    Archiv Familie Petrokov
    Brief vom 4. März 1972
    Lieber Matthew,
    heute ist etwas Außergewöhnliches geschehen. Ich weiß immer noch nicht, ob ich es glauben soll. Catherine und Arif Adelaja haben sich seit zehn Jahren zum ersten Mal in der Öffentlichkeit gezeigt – und zwar mit ihren Zwillingen, Tendaji und Naeem. Die beiden sind kräftige und äußerst ansehnliche junge Männer. Und sie sind in Silentium.
    Arif hat eine Rede gehalten. Er sagte, er und seine Frau – nein, warte, mir ist gerade eine Idee gekommen. Ich werde die wesentlichen Teile seiner Ansprache diesem Brief einfügen. Wenn du älter bist, bekommst du so einen Eindruck von der sonderbaren Welt, in der du aufwächst und in die deine Schwester hineingeboren wird.
    Wie viele von euch haben auch Catherine und ich zu viele Angehörige durch außer Kontrolle geratene Gaben verloren. Manche sind einfach unter dem Druck zusammengebrochen, andere sind gewalttätig geworden und haben zahllose Männer, Frauen und Kinder mit in den Tod gerissen.
    Wir haben unsere kleine Tochter durch den psychotischen Wahn einer engen Freundin verloren, die die Raserei ins Unkenntliche veränderte. Tilly war eine sanfte Frau, die Kinder über alles liebte, doch an jenem Tag nutzte sie ihre telepathischen Fähigkeiten, um das Gehirn unserer Margaret zu zerstören, weil die Kleine unentwegt schrie.
    An jenem Tag haben wir zwei Menschen verloren. Margaret durch Tilly und Tilly durch ihr Entsetzen über sich und ihre Schuldgefühle.
    Nie wieder wollten wir einen geliebten Menschen auf diese Weise verlieren. Deshalb haben wir alles darangesetzt, unseren Söhnen seit dem Tag ihrer Geburt jegliche Gefühle abzutrainieren. Vielleicht halten uns einige von euch deshalb für Bestien, aber heute stehen unsere Söhne lebendig an unserer Seite und haben ihre Fähigkeiten vollkommen unter Kontrolle. Wir haben ihnen gleich zwei Mal das Leben geschenkt.
    Ich kann Arifs Schmerz nachfühlen – als er und Catherine Margaret verloren, war ich erst zwanzig, aber ich werde nie den Schmerz vergessen, den der Anblick des toten Babys in ihm auslöste. Dieser Schmerz hätte ihn, hätte sie beide fast umgebracht. Noch heute sieht man die Narben. Sie reichen so tief, dass er nicht erkennt, welches Paradox in seinen Worten liegt. Um diejenigen zu retten, die er liebt, will er die Fähigkeit zur Liebe zerstören.
    Wie um alles in der Welt kann das die Lösung sein?
    Mamotschka

 
    15
    Am Morgen nahm Katya ohne Zögern Devs Vorschlag an, gemeinsam spazieren zu gehen. Etwas hatte sich verändert zwischen ihnen – sie konnte es spüren: ein zartes Band nahm Gestalt an.
    Aber eine andere Veränderung beunruhigte sie.
    Dev ging an ihrer Seite, doch der Mann, der mit seinem Kuss ihre Seele erreicht hatte, war verschwunden. Zurückgeblieben war der Direktor von Shine – hart, zielorientiert und unerreichbar. Als er in einen roten Apfel biss, musste sie daran denken, dass sie diese Zähne letzte Nacht an ihrem Nacken und an ihren Ohren gespürt hatte. Dennoch schien der kalte Fremde an ihrer Seite nichts gemein zu haben mit dem sinnlichen Mann, der sie so leidenschaftlich geküsst hatte, dass es sie bis ins Mark getroffen hatte.
    „Vielleicht hat er mir ja einen Gefallen getan“, sagte sie, als sie das Schweigen nicht mehr ertragen konnte.
    „Er?“
    „Der Schattenmann.“ Das Spinnennetz in ihrem Kopf summte, erinnerte sie daran, dass sie nichts weiter als eine Marionette war. Sie ballte

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