Ruf der Vergangenheit
Platz, um sich in Form zu bringen, gewann sie dadurch, dass sie die Möbel zur Seite schob. Sie räumte sogar die Scherben und Glassplitter beiseite, denn Dev sollte nicht sehen, wie tief er sie verletzt hatte. Wenn sie stark genug war, konnte sie fliehen, sobald sich die Gelegenheit dazu bot.
Und dann … dann würde sie sich diesem Albtraum stellen müssen.
Am vierten Tag kam Dev vorbei. Sie ignorierte ihn und zog ihre Übungen durch. Er blieb vor ihr stehen. „Pack deine Sachen. Wir fahren.“
Ihr Magen zog sich vor Aufregung zusammen, aber sie zeigte keine Regung. „Wohin denn?“
„Du wirst in Ashayas Nähe sein.“
Sie schüttelte den Kopf. „Wir haben doch schon darüber gesprochen. Man darf mich nicht in ihre Nähe lassen.“
„Darum wirst du freiwillig ein leichtes Beruhigungsmittel nehmen.“
Ihr Magen sackte nach unten. „Nein.“ Dann würde sie die Orientierung verlieren und hilflos werden. Davon hatte sie ein für allemal genug.
Dev verschränkte die Arme vor der Brust, an der sie vor ein paar Tagen noch friedlich geschlafen hatte. „Na schön. Um zehn musst du fertig sein.“
Ihre Fingernägel drückten sich tief in die Handballen. „Und wer wird mich k.o. schlagen?“, fragte sie wütend und zum Kampf bereit. „Du etwa?“
Er ging ohne eine Antwort, und ihre neugewonnene Ruhe war dahin.
Tag wartete draußen. „Ist wohl nicht so gut gelaufen?“
„Sie will nichts nehmen.“
„Hast du etwa etwas anderes erwartet?“
„Nein.“ Er selbst hätte auch nicht anders reagiert. „Aber da Tiara und du uns begleiten, muss sie auch mit. Und ich kann Sascha nicht gefährden. Lucas würde mir an die Kehle gehen.“
„Es gibt noch eine andere Möglichkeit“, stellte Tag fest. „Glen könnte sie in ein künstliches Koma versetzen, solange wir weg sind.“
Devs Körper rebellierte. „Das ist Folter.“ Es würde sie zerbrechen, sie wäre wieder in einem dunklen Raum, könnte nichts sehen, nichts hören, nicht sprechen.
Tag drückte sich von der Wand ab. „Dann musst du in ihrer Nähe bleiben. Und sie unschädlich machen, wenn es nötig sein sollte.“
Devs Magen verkrampfte sich.
„Du kannst es auch mir überlassen.“ Tag kannte Dev besser als die meisten anderen.
„Nein.“ Dev starrte auf die Tür, die er kurz zuvor beinahe mit einem Knall zugeschlagen hätte. „Sie gehört mir.“
„Du hast die Verantwortung, wolltest du wohl sagen.“ Deutlicher ging es kaum.
„Keine Sorge – ich lasse mich nur von meinem Verstand leiten.“ Jedenfalls nur noch.
„Nichts für ungut, ist ein hübsches Ding, seit sie zugelegt hat.“ Tag zuckte die Achseln. „Und wir wissen ja, dass du bei hilflosen Frauen schwach wirst.“
„Sie ist aber nicht hilflos, oder?“ Er hatte sogar so etwas wie Stolz in ihr wahrgenommen. Gott, wie krank. Doch … falls sie die Wahrheit gesagt hatte – falls sie nicht nur die Folter, sondern auch die Zerstörung ihres Verstands, ihrer Persönlichkeit überlebt hatte, wäre das nicht Grund genug, stolz zu sein?
„Sicher nicht.“ Tags Zustimmung war wie eine kalte Dusche. „Was sagst du, Lucas?“
„Die Wahrheit.“ Er zwang sich, den Blick von der Tür abzuwenden, von der wütenden Frau dahinter, die nicht mehr die gebrochene Kreatur war, die er vor seiner Tür gefunden hatte, sondern etwas viel Gefährlicheres … geradezu unwiderstehlich. „Wenn es sein muss, werde ich sie höchstpersönlich mit Medikamenten vollpumpen.“
Wieder zuckte Tag die Achseln. „Quäl dich nicht, Dev. Lass mich die Sache übernehmen.“
„Nein.“ Für Kompromisse war kein Platz. „Du musst dich um Cruz kümmern – das erfordert mehr Kraft – Tiara schafft das nicht alleine.“
„Stimmt. Der Junge ist vollkommen nackt ohne uns.“
Wenn man nur Katya ebenso leicht neutralisieren könnte, dann wäre sie weniger bedrohlich. Aber sie war eine erwachsene Mediale. Selbst wenn Tag und Tiara ihre Fähigkeiten blockierten, würde sie sich wehren und so die Energie abziehen, die sie brauchten, um Cruz zu schützen. „Wenn Katya dich in ihren Kopf lassen würde“, fragte er Tag, „wenn sie ihre Schilde senken würde, könntest du sie dann blockieren?“
„Ich müsste sie ununterbrochen überwachen“, sagte Tag. „Würde ihr sicher nicht gefallen. Cruz zieht zwar ein Gesicht, aber im Grunde ist er einverstanden. Der Junge braucht unsere Schilde. Fühlt sich sicher.“
„Aber Katya würde sich vergewaltigt fühlen.“
„Und eingesperrt.“
„Dann ist das
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