Ruf der Vergangenheit
Siebenjährigen, der ihn Onkel nannte, und an all die anderen, die auf der Kippe standen. „Es ist zurückgekommen.“ Die seltsamen neuen Fähigkeiten der Vergessenen brachten den gleichen Wahnsinn mit sich, der die Medialen in die Arme von Silentium getrieben hatte. „Aber Silentium darf nicht die Antwort sein – diesem Beispiel werden wir nicht folgen.“
„Du kannst kalt werden, Dev“, sagte Jack. „Ich habe es gesehen. Du hast Zugang zu Maschinen, und du kannst kalt werden. Aber was wäre, wenn du dazu nicht in der Lage wärst?“
Dev wusste nur zu gut, wie es war, wenn man die Kontrolle über sich verlor. Und erst recht wusste er das, seit diese Frau durch alle metallenen Schilde geschlüpft war, als würden sie nicht existieren. „Auch wenn ich kalt werde, bleibe ich menschlich, Jack. Ich fühle etwas.“ Zu viel. Zu stark.
„Ich weiß, dass Silentium keine gute Lösung ist“, gab Jack zu. „Aber was sollen wir machen, wenn es keine gute Lösungen gibt …?“
„Wir werden schon einen Ausweg finden.“ Er würde seine Familie und sein Volk nicht verlieren. „Glen und sein Team arbeiten Tag und Nacht daran. Und ich werde alle Kontakte mobilisieren – aber … triff bitte keine vorschnellen Entscheidungen. Kannst du mir noch ein paar Tage bewilligen? Bleibt Will noch so viel Zeit?“ Denn falls sich der Junge in einem kritischen Zustand befand, würde Dev das Flugzeug sofort umkehren lassen. Katya würde das bestimmt verstehen.
„Was ist so wichtig, dass wir uns nicht gleich heute treffen können?“
Dev sah Katya an, die sich abgewendet hatte und aus dem Fenster sah. „Ich muss ein anderes Leben, einen anderen Verstand retten.“
Jack holte tief Luft. „Meine Scheiße, du verstehst dich auf Tiefschläge. Ich gebe dir noch ein paar Tage.“
„Ruf mich sofort an, wenn sich irgendetwas ändert.“ Denn der kleine William mit den großen Augen war ihr Barometer, und Will – und bei diesem Gedanken wurden Devs Beschützerinstinkte angesprochen – war sehr knapp davor, den Verstand zu verlieren. Dev schluckte den Kloß im Hals herunter, versuchte nicht einmal, seine Sorge um Will zu verbergen. „Wenn du mich rufst, komme ich sofort. Hast du verstanden?“
Schweigen, Ungesagtes hing zwischen ihnen, Jack hatte die brutale Wahrheit begriffen, der sich kein Vater jemals sollte stellen müssen. „Verstanden“, antwortete er. „Ich muss jetzt los – Melissa ist zu Hause. Das ist alles eine einzige Scheiße.“ Der letzte Satz klang müde.
Dev fühlte sich auch erschöpft. Katya hatte sich ihm zugewandt. Sie nahm die Kopfhörer ab, als er das Handy in die Tasche steckte. „Ich würde gerne wissen, was diesen Blick ausgelöst hat“, sagte sie und griff nach seiner Hand.
„Katya, es könnte sein, dass wir umkehren müssen.“ Er drückte ihre Hand. „Aber falls es so ist, kehren wir hierher zurück, das verspreche ich dir.“
Und obwohl sie doch so dringend ihr Ziel erreichen wollte, nickte sie sofort. „Dein Versprechen reicht mir.“
Das Herz ging ihm auf, nirgendwo gab es noch eine Spur von Metall. „Wie sicher ist dein Verstand abgeschottet?“
„Wie ein Verlies. Weder kann etwas aus dem Medialnet hinein, noch dringt etwas hinaus. Aber wie du schon gesagt hast, Ming muss den Schlüssel zum Verlies besitzen – und er kann ihn jederzeit benutzen.“
Er wusste, was sie ihm damit sagen wollte, aber die möglichen Vorteile überwogen bei weitem die Gefahren. Gerade wollte er sich die benötigten Informationen holen, als er etwas bemerkte, das ihn stutzen ließ. „Du hast Nasenbluten.“
Sie seufzte leise und nahm das Taschentuch, das er ihr reichte. „Das liegt an der Höhe“, sagte sie.
Da war er sich nicht so sicher. „Was macht dein Kopf?“
„Dem geht’s gut.“ Sie steckte das Taschentuch in den Abfallbehälter und verzog das Gesicht. „Ich habe Fliegen noch nie gut vertragen. Was wolltest du fragen?“
Er war immer noch nicht von ihrer Erklärung überzeugt und machte sich im Geist eine Notiz. Er wollte Glen bitten, sie bei ihrer Rückkehr zu untersuchen. „Was weißt du über die Entstehung von Silentium?“
„Abgesehen von den offiziellen Meldungen weiß ich, dass es längst nicht so wirksam ist, wie uns der Rat gerne glauben machen möchte, die Anker – starke Mediale, die das Medialnet aufrechterhalten – sind äußerst anfällig für psychopathische Entwicklungen.“
Das hatte Dev schon vermutet. „Aber auf einer bestimmten Ebene wirkt es
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