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Ruf der verlorenen Seelen

Ruf der verlorenen Seelen

Titel: Ruf der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derting Kimberly
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des
Raums. Er schien sich dort ganz wohl zu fühlen, beobachtete
still, was geschah. Fast augenblicklich hatte Violet seine Anwesenheit
vergessen.
    Der Raum war anders als der erste, aber sie erkannte ihn
sofort wieder, aus Fernsehkrimis und aus dem Kino. Es war ein
Verhörraum mit einem Einwegspiegel, wie die Polizei ihn für
Gegenüberstellungen benutzt.
    Der Teil des Raums, in dem sie sich befanden, war klein. Kleiner,
als sie gedacht hätte. Und dunkel. Der Teil des Raums auf
der anderen Seite der Scheibe, den sie deutlich sehen konnte,
war größer und gut beleuchtet.
    In Violets Kopf fing es wieder an zu hämmern, diesmal in Erwartung
dessen, was nun kam. Sie hatte Angst davor, was es zu
bedeuten hatte, dass sie hier war. Sie fühlte sich nicht bereit für
das, was Sara mit ihr vorhatte. Ihre Brust war wie zugeschnürt
und ihr Atem wurde flach.
    Â»Was … was …«, stammelte sie.
    Sara berührte ihre Hand. »Keine Panik, Violet«, bat sie
mit sanfter Stimme. »Es dauert gar nicht lange. Wir haben
einen Verdächtigen im Fall des entführten Jungen am Hafen.
Schauen Sie ihn einfach an. Sagen Sie uns, ob Ihnen irgendwas
an ihm auffällt.«
    Violet konnte nicht. Und sie wollte nicht. Sie schüttelte den
Kopf, brachte jedoch kein Wort heraus.
    Â»Bitte bleiben Sie«, flüsterte Sara.
    Als Violet nicht widersprach – weil sie nicht konnte –, nickte
Sara Rafe wortlos zu.
    Er ging hinaus und kurz darauf wurden fünf Männer in den
hell erleuchteten Teil des Raums auf der anderen Seite der
Glasscheibe geführt.
    Violet schauderte.
    Sara sah sie prüfend an.
    Â»Lassen Sie sich Zeit, Violet.«
    Â»Ich … kann nicht …«
    Â»Schauen Sie sie an«, sagte Sara.
    Wie erstarrt ließ Violet den Blick über die Gesichter der fünf
Männer schweifen. Mehrere von ihnen trugen Echos an sich, manche mehr als eins. An der Haut eines Mannes leckten Flammen,
über ihm flimmerte die Luft vor Hitze. Der Geschmack
von Kupfermünzen erfüllte ihren Mund und noch etwas anderes,
das sie nicht identifizieren konnte. Und selbst durch die
Scheibe hindurch hörte sie ein Mischmasch verschiedener Geräusche:
ängstliche Flügelschläge eines Vogels, den gedämpften
Motor eines großen Lastwagens, das Weinen eines Kindes.
    Ganz schwach nahm sie den Duft von Orangen wahr.
    Es waren zu viele Reize auf einmal und Violet konnte kein
Gesicht von dem anderen unterscheiden. Sie konnte die Echos
nicht auseinanderhalten. Es war ein einziges Durcheinander.
    Â»Können Sie mir etwas sagen?« Saras Stimme schien von
weit her zu kommen, als befände sie sich am Ende eines Tunnels.
Violet hoffte, dass sie nicht ohnmächtig wurde.
    Sie schüttelte den Kopf. Er war kurz vorm Zerbersten. Sie
schaute nervös von einem Gesicht zum anderen.
    Sara fasste Violet an den Schultern. Die Berührung riss sie
mit einem Ruck aus dem Wirrwarr in ihrem Kopf. Sie ließ es
zu, dass Sara sie herumdrehte, weg von der Scheibe.
    Violet wusste, dass Sara die Situation missverstand. »Ich
weiß, was Sie letztes Jahr durchgemacht haben«, sagte Sara.
    Â»Und dass Sie Angst haben. Aber das brauchen Sie nicht, Violet,
versprochen. Hier kann Ihnen nichts passieren. Die Männer
können Sie nicht sehen.«
    Violet brachte nur ein Blinzeln zustande.
    Â»Sagen Sie mir nur …«, bat Sara. »Ist er dabei?«
    Ohne richtig hinzugucken, schaute Violet noch einmal in den
Raum. In dem Durcheinander von Sinneseindrücken suchte
sie nach etwas ganz Bestimmtem. Sie lauschte auf ein ganz bestimmtes
Geräusch.
    Auf den melodischen Klang einer Harfe.
    Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf.
    Er war nicht dabei.
    Ein Glück, dachte Violet. Er ist nicht hier.

    Violet blieb länger als nötig auf der Toilette. Dort war es kühl
und sie fühlte sich in Sicherheit. Langsam beruhigte sie sich.
    Sie hatte es gerade noch rechtzeitig geschafft, bevor sie sich
übergeben musste. Sara ließ sie in Ruhe und keiner kam herein.
    Violet beugte sich über das Waschbecken und spülte sich den
Mund aus. Dann spritzte sie sich Wasser ins Gesicht, legte die
Hände an die erhitzten Wangen und starrte sich im Spiegel an.
    Was ist mit mir los? , fragte sie sich. Warum bin ich so erleichtert
darüber, dass er nicht dabei war?
    Sie sah ihren gehetzten Blick im Spiegel. Sie sah genauso
aus, wie sie sich fühlte.
    Sie wusste, warum: Sie

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