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Ruf der verlorenen Seelen

Ruf der verlorenen Seelen

Titel: Ruf der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derting Kimberly
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der Küche, sie kam zu spät zu ihrer
eigenen Feier. Unbemerkt huschte sie nach oben, machte sich
frisch und zog sich um. Nach dem weiten Weg nach Seattle und
zurück fühlte sie sich ziemlich erledigt, und so sah sie auch aus.
Sie kniff sich in die Wangen und putzte die Zähne.
    Dann ging sie wieder nach unten, wo ihre Mutter schon an
der Treppe wartete.
    Â»Herzlichen Glückwunsch, Vi!« Sie nahm Violet in die Arme.
    Â»Mom, hast du getrunken?«, sagte sie halb im Spaß und befreite
sich aus der Umarmung.
    Â»Quatsch«, sagte ihre Mutter, als wäre das eine absurde
Frage. »Ich hab mir nur …« Sie überlegte es sich anders und
verstummte.
    Sorgen gemacht , dachte Violet. Was mussten ihre Eltern sich
in den letzten Tagen gedacht haben, als Violet die Schule geschwänzt,
sich in ihrem Zimmer verbarrikadiert, kaum gegessen
hatte und heute Morgen einfach abgehauen war? Aber sie
sagte nichts.
    Â»Herzlichen Glückwunsch«, sagte ihr Vater in das betretene
Schweigen hinein. Auch er nahm sie in die Arme, aber sanfter,
zurückhaltender.
    Violet lächelte ihn an.
    Auch ihre Tante und ihr Onkel waren da, mit den beiden
Kleinen, Joshua und Cassidy. Die kleine Cassidy streckte die
Arme nach ihr aus, und Violet hob sie hoch und stöhnte, wie
schwer sie geworden sei, obwohl sie federleicht war.
    Â»Wie alt bist du jetzt eigentlich«, neckte Violet das zappelnde
Mädchen, »zwölf oder dreizehn?«
    Cassidy kicherte nur.
    Joshua war mit seinen knapp fünf Jahren schon so ernst wie
ein kleiner Buchhalter. Violet musste sich zwingen, nicht an
den kleinen Jungen vom Hafen zu denken. »Sie ist noch nicht
mal drei. Am sechsten April hat sie Geburtstag«, erklärte er.
    Â»Hmmm«, machte Violet skeptisch und schaute ihn an, als
könnte sie das nicht glauben. »Ich hätte sie älter geschätzt.«
    Joshua zuckte die Achseln, ihm war das egal. Dann fragte er:
    Â»Was hast du denn? Bist du krank oder so?«
    Â»Joshy! Das sagt man nicht!« Tante Kat schaute Violet um
Verzeihung bittend an. »Entschuldige dich bitte.«
    Violet setzte Cassidy ab. Die Kleine klammerte sich an Violets
Bein.
    Â»Ist schon gut«, meinte Violet zu ihrer Tante. Dann sagte
sie zu Joshua: »Irgendwas ist mit mir, das stimmt. Ich weiß nur
nicht, was.«
    Jetzt entstand wieder ein unangenehmes Schweigen. Und
Violet begriff, dass alle wussten, oder zumindest vermuteten,
was mit ihr los war. Dass sie und Jay sich gestritten oder getrennt
hatten.
    Sie war froh, als ihr Vater sich bei ihr unterhakte und sie in
die Küche zog. »Komm. Es gibt genug Essen für eine ganze
Kompanie. Lass uns essen.«
    Das ließ Violet sich nicht zweimal sagen. Essen war jetzt
genau das Richtige.
    Violet setzte sich an den Tisch und tat so, als interessierte
sie sich für die Gespräche um sie herum. Sie wollte nicht gefragt
werden, was mit ihr los war und keine Fragen beantworten,
über die sie nicht einmal nachdenken mochte.
    Das Abendessen war köstlich. Zu dem Hühnchen gab es
Kartoffelbrei mit Knoblauch und Caesar Salad. Zum Glück
hatten die Gespräche nichts mit Violet zu tun – jedenfalls nicht
mit ihr und Jay – und es gab nur wenige unangenehme Situationen.
Und obwohl es Violets Geburtstag war, musste sie kaum
daran teilnehmen.
    Sie plauderte hauptsächlich mit den beiden Kleinen, mit
denen brauchte sie keine tiefgründigen Gespräche zu führen.
    Violets Mutter hatte sich an das Luftballon- und Girlandenverbot
gehalten. Allerdings hätte Violet sich wohl noch deutlicher
ausdrücken und jegliche Dekoration verbieten sollen. Der
Tisch und das ganze Zimmer waren mit Blumen und Kerzen
geschmückt.
    Es sah toll aus. Eigentlich wollte Violet protestieren, weil ihre
Wünsche übergangen worden waren, aber sie konnte nicht.
    Vielleicht war es die Wirkung der ersten richtigen Mahlzeit
seit Tagen, vielleicht auch der Schlafmangel, aber sogar sie
musste zugeben, dass es schön aussah. Es hob ihre Laune.
    Â»Danke«, sagte sie, fast zu sich selbst, und schaute auf ihren
Teller. Dass die anderen sie gehört hatten, merkte sie nur daran,
dass die Gespräche kurz verstummten.
    Daran und an Joshuas spontaner Antwort: »Gern geschehen.
«
    Violet lächelte und aß noch ein bisschen Kartoffelbrei.
    Die Unterhaltung ging weiter. Es gab Kuchen und Geschenke.
    Violet tat ihr Bestes, um sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren,
anstatt

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