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Ruf der verlorenen Seelen

Ruf der verlorenen Seelen

Titel: Ruf der verlorenen Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derting Kimberly
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die Gedanken schweifen zu lassen.
    Aber es fiel ihr schwer, und sie war immer wieder abgelenkt.
    Und da klopfte es plötzlich an der Haustür.
    Violets Magen zog sich nervös zusammen. Sie wollte niemanden
sehen, jedenfalls niemanden, der nicht schon auf
ihrem Geburtstag war.
    Sie hasste dieses Gefühlswirrwarr, die Mischung aus Furcht
und Erwartung. Sie kam sich inkonsequent vor, weil sie hoffte,
es könnte Jay sein, obwohl sie sich tausendmal gesagt hatte,
dass er der Letzte war, den sie sehen wollte. Schon gar nicht
heute Abend.
    Violet schaute die anderen am Tisch an, ihre Eltern, ihre
Tante und ihren Onkel und die beiden Kleinen. Alle wirkten
genauso gelähmt wie sie.
    Â»Ich geh schon.« Onkel Stephen stand auf und ging zur Tür.
    Violet hielt die Luft an.
    Sie wusste es. Sie wusste, dass er es war. Sie hatte Angst ihn
zu sehen, Angst davor, dass ihre Entscheidung bröckeln könnte.
    Doch als ihr Onkel wieder in die Küche kam, war er allein.
    Und vielleicht merkte es niemand außer ihr, aber sie spürte,
wie sie auf ihrem Stuhl zusammensank. Sie war bitter enttäuscht
über ihren Irrtum und gleichzeitig wütend, weil sie so
empfand.
    Und dann sprach er die Worte aus, die Violet gleichzeitig
ersehnt und gefürchtet hatte. »Es ist Jay. Er möchte mit dir
sprechen.«
    Die Luft fühlte sich schwarz und ölig an. Keiner sagte ein
Wort, alle beobachteten Violet.
    Sie runzelte die Stirn, schaute ihren Onkel flehend an und
schüttelte den Kopf, unfähig zu sprechen.
    Â»Bist du dir sicher?« Er fragte es leise, aber doch zu laut in
der Stille der Küche. Selbst die Kinder hatten aufgehört, auf
ihren Stühlen herumzurutschen.
    Violet nickte, sie hoffte, er würde sie verstehen. Aber sie
brauchte sich keine Sorgen zu machen. Er zweifelte nicht an
ihr, wenn sie ihn brauchte.
    Als er aus der Küche ging, machten ihre Mutter und ihre
Tante Smalltalk und taten so, als würden sie nicht darauf lauschen,
was sich an der Haustür abspielte.
    Doch Violet konnte nicht länger dasitzen und so tun, als ob
nichts wäre. Sobald sie hörte, dass die Haustür zuging, stand sie auf. »Ich geh in mein Zimmer«, sagte sie ohne eine Entschuldigung.
    Keiner versuchte sie aufzuhalten, keiner fragte sie, was sie
hatte. Ihre Eltern würden den Onkel und die Tante an ihrer
Stelle verabschieden, und später – viel später –, wenn es ihr
wieder besser ginge, würde sie sie um Verzeihung bitten.
    Jetzt brachte sie es nicht über sich, höflich zu sein. Sie wollte
einfach nur ihre Ruhe haben. Der Geburtstag war vorbei.

    Violet wartete, bis es still im Haus war, dann ging sie wieder
nach unten.
    In ihrem Zimmer hatte sie versucht, wieder in die Starre zu
fallen, in der sie sich befunden hatte, bevor Jay aufgetaucht war
und ihre mühsam errungene Fassung zunichte gemacht hatte.
Doch sosehr sie sich bemühte, die Gefühle waren zu stark, zu
dicht unter der Oberfläche.
    Deshalb beschloss sie, ein Stück Kuchen zu essen. Eine ordentliche
Dosis Zucker war jetzt bestimmt das Richtige.
    Leise schlich sie hinunter. Als sie in die Küche kam, lächelte
sie. Ihr Vater musste geahnt haben, dass sie kommen würde.
    Eine Welle der Dankbarkeit durchströmte sie.
    Neben dem Teller stand eine kleine Geschenktasche, die
mit hübschem Seidenpapier gefüllt war. Violet beachtete die
Tasche nicht weiter und holte Milch aus dem Kühlschrank.
    Erst als sie sich vor den Teller setzte und die Torte auspackte,
fiel ihr das Geschenk daneben wieder auf.
    Sie dachte, sie hätte alle Geschenke ausgepackt, die von ihren Eltern und von ihrem Onkel und ihrer Tante, aber vielleicht
hatten sie ihr dieses hier später geben wollen.
    Sie stellte einen nackten Fuß auf den Hocker und legte das
Kinn aufs Knie, während sie den ersten Bissen Torte aß. Die
Torte war perfekt, genau das, was sie jetzt brauchte. Erstaunlich,
dass so etwas Einfaches wie ein Stück Torte die Laune so
heben konnte.
    Sie zog das feine Seidenpapier aus der Geschenktüte, es
schimmerte in dem schwachen Licht, das über dem Herd
brannte.
    Sie zog die Tüte zu sich heran und spähte hinein. Das, was
sich darin befand, war in dasselbe hübsche Seidenpapier gewickelt.
    Sie holte etwas Kleines, Massives heraus. Es passte genau in
ihre Hand. Sie wickelte es aus dem schimmernden Papier und
hielt einen Doppelrahmen in der Hand.
    Sie bewunderte die filigranen Verzierungen

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