Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
tun.“
„Ja.“
„Wie töricht! Dann wird sie wohl noch eine Weile in Gefahr sein. Denn allzu bald wird sie dir nicht in die ewige Finsternis folgen, mein Sohn. Ich habe in ihr Herz gesehen – ich weiß, dass sie sich dagegen wehrt, eine Bluttrinkerin zu werden.“ Er machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr. „Sie wusste, was ich bin, nicht wahr?“
„Sie hat es geahnt. Aber ihre Liebe zu mir trübt oft ihr drittes Auge.“
„Dennoch hat sie mich erkannt.“
„Du machst kein Geheimnis daraus, was du bist.“
Jetzt musste er lachen. „Denkst du das? Denkst du das wirklich? Du solltest mich nach zwanzig gemeinsamen Jahren besser kennen.“
„Du hast es vor ihr nicht verborgen.“
Er wurde wieder ernst. „Nein, das habe ich nicht. Aber ich habe es auch nicht zur Schau gestellt. Ich wollte sehen, was geschehen würde. Ob sie es wissen würde.“
„Und sie wusste es.“
„Ja, sie wusste es. Und nun gib gut Acht auf sie. Und auf dich auch.“
„Merci“, flüsterte Armand.
Lucien winkte ab. Er erhob sich, und Armand tat es ihm gleich. Einen Moment lang standen sie voreinander und sahen sich an. Dann streckte er eine Hand aus, umfasste zärtlich Armands Nacken, zog ihn zu sich heran und küsste ihn auf den Mund.
„Als Vergebung für deine Sünden,
durhan
. Weil du sie aus tiefstem Herzen liebst.“
Er verschwand wie ein Geist. Zurück blieb nur ein eisiger Wind, der durch die offenen Flügeltüren hereinwehte.
New Orleans und eine nette alte Dame
Wir reisten weiter nach New Orleans. Dorthin, wo Armand seinen zweiten Wohnsitz hatte. Ich war neugierig darauf. Ob alles so edel ausgestattet war wie in London?
Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Seine Wohnung lag in der St. Ann Street, ganz in der Nähe der Rue Royal. Ein Appartement im dritten Stock eines viktorianischen Hauses. Hier galt er als Geschäftsmann, der oft monatelang auf Reisen war. Der Wohnbereich, inklusive einer Küchenzeile, die durch eine Teilwand vom übrigen Raum getrennt wurde, war ganz in Braun gehalten. Hellbraune Veloursledermöbel, cremefarbene Teppiche, dunkelbraune Schränke, Tische und Kommoden. Sogar der offene Kamin war außen mit dunklem Holz verkleidet. Auch hier stand ein Flügel an einer Seite des Raumes. Auf einer kleinen Empore in sicherer Entfernung zur Küche.
Der angrenzende Schlafbereich war sehr hell, gelb und apricot. Es passte eigentlich nicht zu Armand, aber es war hübsch. Eine französische Liege stand direkt an der riesigen Fensterfront. Nachttisch, Toilettentisch und Wandschrank waren hübsch drum herum arrangiert. Eine kleine Sitzgruppe stand auf der gegenüberliegenden Seite. In die Wand eingelassen waren eine High-Tech-Anlage mit Videorecorder, ein DVD-Player, Dolby-Digital, Fernseher und HiFi.
Das Bad war weiß, mit schwarzer Schleierung sowohl in den Kacheln, als auch in Badewanne, Duschkabine, WC und Waschbecken. Auf dem Boden lagen schwarze flauschige Läufer, damit man nicht ausrutschte, wenn man nassen Fußes aus der Dusche oder der Wanne kam.
Die Wohnung gefiel mir. Was mich jedoch überraschte, war der schwarze Kater, der uns maunzend entgegenlief, als Armand – ganz wie ein Mensch – die Tür aufschloss.
„Bonsoir, Scaramouche!“
Armand nahm ihn auf den Arm, der Kater kuschelte sich in seine Armbeuge.
„Du hast ein Haustier?“
„Warum denn nicht?“, fragte er lachend.
Scaramouche war, wie ich wenig später erfahren durfte, Armands Seelentröster und wurde von der netten alleinstehenden älteren Dame versorgt, die das Appartement im Erdgeschoss bewohnte. Er stellte mich ihr gleich nach unserer Ankunft vor. Das war auch besser so, denn sie hatte unser Kommen bemerkt und wäre ohnehin gleich nach oben gekommen. Armand hatte eine freundschaftliche Beziehung zu ihr. Doch sie wusste nicht, was er in Wirklichkeit war. Für sie war er der gestresste Geschäftsmann, der fast das ganze Jahr auf Reisen war, um in seinen vielen Firmen nach dem Rechten zu sehen. Der gern nach New Orleans kam, um sich zu erholen, seinen Kater über alles liebte und so froh war, dass er ihn in guten Händen wusste, wenn er unterwegs war. Als Dankeschön für die gute Pflege brachte er ihr immer kleine Geschenke mit, leistete ihr spätabends Gesellschaft bei einer Tasse Tee oder einem Glas Wein und erzählte von den Problemen, die er hatte, von den vielen schönen Orten, an denen er gewesen war und wie bedauerlich wenig er doch von ihnen sah, weil er ja ständig in der Firma sein musste.
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