Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
einigen wichtigen Geschäftsfreunden vorzustellen. Daher würden wir keine Zeit für diese Besorgungen haben. Eleonora versicherte, dass es ihr eine Freude sei, Kostüme für uns auszusuchen.
Armand ging als Phantom der Oper – ganz in schwarz mit weißer Maske, Cape und Hut –, ich als Engelchen, mit blonder Perücke inklusive Heiligenschein und einem schneeweißen Kleid. Wenn das keine passende Kostümierung war.
Die Stimmung war anders, als in Venedig. Verrückter. Aber es hieß ja auch ‚Verrückter Dienstag’. Wir tanzten durch die Straßen, machten jede Menge Lärm, hielten in dem einen oder anderen Lokal Einzug, und ich probierte sehr gewagte Cocktails. Eine Weile sahen wir dem berühmten Mardi-Gras-Umzug zu, fingen Dutzende von Glasperlenketten und bekamen noch etliche mehr von den anderen Feiernden, die sich als Bezahlung für dieses Geschenk Küsse von uns raubten.
Schließlich stolperten wir übermütig jauchzend, wie zwei Kinder, in das Siam Café in der 435 Esplanade Avenue. Eigentlich war dieses thailändische Café mehr ein Studententreff, doch an Mardi Gras tummelte sich hier alles und jeder. Es gab Live-Jazzmusik, und wir saßen auf Kissen auf dem Boden und plauderten mit anderen Gästen, als würden wir sie seit Jahren kennen.
„Ursprünglich war das hier mal ein Bordell“, klärte Armand mich auf.
„Ach. Das soll mich doch hoffentlich nicht beunruhigen?“
Armand lächelte zweideutig, zog mich in eine sinnliche Umarmung, küsste mich tief und ausgiebig.
Obwohl uns beiden das ausgelassene Treiben einen Heidenspaß machte, zogen wir uns noch lange vor Sonnenaufgang in Armands schickes Appartement zurück. Wir hatten unser Bedürfnis nach ausgelassenem Trubel bereits zu Genüge in Venedig befriedigt. Jetzt stand uns der Sinn nach etwas ganz anderem.
Wir zündeten nur ein paar Kerzen an. Und ein Feuer im Kamin, obwohl das nicht nötig gewesen wäre, denn ganz so kalt war New Orleans nicht. Während er die Flammen schürte, blickte Armand zu mir herüber. Sein Blick war so dunkel. Ich schluckte und hoffte, dass mein Gesicht meine aufgewühlten Gefühle nicht verriet. Wir blickten uns an. Nun mach schon, dachte ich. Worauf wartest du noch? Betont langsam erhob er sich, stellte den Schürhaken weg, kam auf mich zu und nahm mich in die Arme.
„Ich liebe dich, Melissa.“
Ich antwortete nicht, sondern schmiegte mich fester an ihn. Wir liebten uns so zärtlich und sacht, dass es fast schon eine Qual war. Wir waren eins. Für immer. Ein Herzschlag, ein Atem, eine Seele.
Ein energisches Klingeln weckte uns kurz nach Sonnenuntergang. Armands Mobiltelefon. Ich schmunzelte, weil ich ihn noch nie damit gesehen hatte. Es brachte mich zum Lachen, dass auch ein Vampir mit der Zeit ging und auf Internet und Funktelefone angewiesen war. Zerknirscht dachte ich daran, dass ich mein Handy mal wieder im Mutterhaus liegen gelassen hatte. Franklin würde schäumen vor Wut.
Der Mann am anderen Ende der Leitung war einer von Armands Verwaltern. Es gab Probleme, die dringend besprochen werden mussten. Also würde er mich für zwei oder drei Tage allein lassen. Er versprach, so schnell wie möglich zurück zu kommen. In der Zwischenzeit würde Eleonora mir sicher gern Gesellschaft leisten. Ich war traurig, dass er mich verließ, noch dazu in einer fremden Stadt, in der ich niemanden kannte, aber ich ließ ihn gehen. Was blieb mir auch übrig?
Zeit, mich einsam zu fühlen bekam ich nicht. Denn kaum war Armand in ein Taxi gestiegen, da erschien auch schon Mrs. Cavenor und fragte, ob ich etwas brauchen könnte oder vielleicht Lust auf eine Partie Backgammon hätte. Es war immer noch besser, als ziellos durch die Stadt zu streifen und doch die ganze Zeit nur an Armand zu denken. Ich stimmte also zu und verbrachte den Abend mit ihr. Zu guter Letzt ließ ich mich auch noch dazu überreden, am nächsten Tag eine Sightseeing-Tour mit ihr zu unternehmen, damit ich mich in Armands Abwesenheit nicht langweilte.
Mama spricht mit jemandem. Es ist ein Mann. Ich kenne diese Stimme. Papa! Lass mich zu meinem Papa! Aber Tante Lilly drückt mich noch fester an ihren kalten harten Körper
.
„Joanna
!“
Sie klingt so angespannt. Fast ängstlich. Mama soll sich beeilen. Wir müssen ganz schnell weg
.
Warum kommt Papa nicht mit?
Ich muss weinen. Lilly tut mir weh. Aber nicht mit Absicht. Sie hat nur solche Angst. Mama hat auch Angst. Ich sehe sie weinen. Sehe, wie die Tränen über ihr Gesicht laufen, während wir die
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