Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
schon längst getan hatte.
Er merkte, wie ernst mir die Sache war. Nachdenklich drehte er die Brille zwischen seinen Fingern. „Du neigst in letzter Zeit dazu, dich ständig bewusst in Gefahr zu bringen. Musst du dich wirklich jedem Dämon stellen, den du in deiner Vergangenheit finden kannst?“
„Vielleicht.“
„Dann tu mir bitte einen Gefallen und such nicht ständig nach welchen.“ Ich nickte nur, blickte ihn aber weiterhin unverwandt an, bis er sich schließlich seufzend den verspannten Nacken rieb und nachgab. „Das wird nicht ungefährlich werden.“
„Ich weiß. Aber sie ist eine alte Frau. Und einsam, jetzt wo der Orden zerschlagen ist. Ich hege keinen Hass mehr gegen sie. Das ist vorbei. Ich will sehen, wie es ihr geht. Ob sie eine Lehre aus all dem gezogen hat.“
„Das erwartest du nicht wirklich, oder?“
Ich hoffte es, auch wenn die Chancen gering waren. Doch für mich war sie ein Mensch, den das Leben und das Umfeld zu dem gemacht hatten, was sie war. Ich wollte glauben, dass im Grunde ihrer Seele noch ein Funken von dem übrig war, was ich so lange in ihr gesehen hatte.
„Ich werde dich begleiten“, meinte Franklin schließlich.
„Das hatte ich gehofft.“
Wir fuhren zwei Tage später hinaus nach Thedford und von dort über Land zu dem kleinen Haus, das so viele Jahre mein Heim gewesen war. Ich fühlte mich unbehaglich. Die Erinnerung an einen Berg von aufgeschichtetem Holz, der auf mich wartete, stieg in mir auf. Nervös rieb ich mir die Arme.
Das Haus lag still und scheinbar verlassen vor uns, als wir den Weg entlang fuhren. Nichts hatte sich verändert. Margrets Macht war immer noch stark, ich konnte sie spüren. Sie griff nach mir, zog und zerrte an meinen Nerven. Trotz der angenehmen Wärme des beginnenden Sommers fröstelte ich.
„Du musst dich dagegen abschirmen. Denk an das, was Camille dich gelehrt hat. Du bist ihr nicht mehr unterlegen, Melissa. Aber du darfst ihr keine Macht über dich geben.“
Ich nickte hektisch. Das war leichter gesagt als getan. Franklin parkte den Wagen und stieg aus. Ich blieb noch einen Moment sitzen, bis er mich fragend ansah.
„Sollen wir wieder zurückfahren?“
„Nein!“, antwortete ich entschieden. „Jetzt sind wir hier, jetzt bringe ich es auch hinter mich.“
Seine Nähe gab mir Kraft. Wir gingen ums Haus herum zur hinteren Veranda, wo wir Margret in ihrem Schaukelstuhl fanden.
„Oh! Die Abtrünnige traut sich nicht allein hierher? Fürchtet sie meine Macht so sehr?“
Der Spott in ihrer Stimme war beißend. Ich ignorierte es. „Ich habe deiner Macht schon einmal widerstanden. Ich fürchte dich nicht länger.“
Sie lachte bitter und hässlich. „Du hast doch keine Ahnung von der Macht, die ich über dich habe.“
Jetzt schaltete Franklin sich ein. „Sie ist nicht mehr dein Geschöpf. Melissa ist jetzt eine von uns.“
„Nein, das ist sie nicht“, fauchte Margret und erhob sich blitzartig aus ihrem Schaukelstuhl. „Sie mag nicht mehr meine Schülerin sein. Und jeder Same, den ich in ihr gesät hatte, mag vernichtet sein. Aber ihr habt sie nicht für euch gewonnen, Franklin Smithers! Sie gehört dem Dämon. Dem schönen Todesengel, dem auch du gehörst.“
Armand. Also hatte sie von ihm gewusst. Aber dass sie auch von Franklins Verbindung zu ihm wusste … !
Deutlich spürte ich, wie sie in meinen Geist einzudringen versuchte. Und ich konnte ihren Zorn fühlen, als es ihr misslang. Ihr Lächeln war böse und hinterhältig. „Ich muss zugeben, du hast tatsächlich eine Menge gelernt.“
„Danke für das Kompliment, aber ich bin nicht hier, um mit dir über den Fortschritt meiner Ausbildung zur Hexe zu diskutieren.“
„Es interessiert mich nicht, weshalb du hier bist. Ich will, dass du wieder gehst. Du hast genug angerichtet. Ich hätte dich gleich mit deiner Mutter verbrennen sollen, statt zuzulassen, dass diese Brut überlebt.“
Franklin spannte sich bei diesen Worten an. Auch ich dachte automatisch an den Scheiterhaufen, der bereits für mich vorbereitet worden war. Aber ich bedeutete ihm, sich zurückzuhalten. Es ging hier um mich, nicht um ihn oder die Ashera.
„Ich möchte mit dir reden“, sagte ich.
Sie blickte zwischen Franklin und mir hin und her. So als überlege sie, welche Möglichkeiten sie hatte und welche nicht.
„Dann schick ihn weg.“
„Das kommt überhaupt nicht in Frage. Ich bin für sie verantwortlich. Dieses Risiko wird sie auf keinen Fall eingehen.“
Wieder lachte Margret
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