Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
hämisch. „Darf sie das nicht selbst entscheiden?“ Sie wandte sich an mich. „Wie wichtig ist es dir denn, mit mir zu reden? Und vielleicht etwas über deine Mutter zu erfahren, das du noch nicht weißt? So viel, dass du deine Seele riskieren würdest?“
Ich blickte zu Franklin. „Ich schaff das schon.“
Mit einem Mal spürte ich einen ungeheuren Energieschub. Ich fühlte mich ihr ebenbürtig. Denn im Gegensatz zu ihr stand ich unter dem Segen und dem Schutz der Großen Mutter.
„Was, wenn sie dich angreift? Wir wissen nicht, wozu sie fähig ist.“
„Oh doch, ich weiß es. Sie ist auch nur eine Hexe. Genau wie ich. Ich werde sie nicht unterschätzen.“ Ich warf ihr einen Blick zu, der ihr zeigen sollte, dass nicht ich sie fürchtete, sondern dass vielmehr sie mich fürchten sollte. Maßlose Selbstüberschätzung? Nein, ein Versuch, sie unter Kontrolle zu halten. Wenn sie meine Stärke nicht einschätzen konnte, würde sie weniger wagen. „Sie hat jetzt niemanden mehr, der an ihrer Seite kämpft.“
Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Also wusste ich, dass der Coven gestorben war. Und in ihren Augen trug ich die Schuld daran.
„Nun, was ist?“, drängte sie. „Wagst du es, oder ziehst du es vor, in dein Versteck zurück zu kriechen?“
„Franklin, warte bitte beim Auto auf mich.“
Er tat es nicht gern, aber schließlich nickte er. Mir war klar, dass sie auf eine Möglichkeit hoffte, mich Auge in Auge mit einem Bann zu belegen. Es war die einzige Chance, die sie noch hatte, wenn sie sich an mir rächen wollte. Ich musste auf der Hut sein. Mit demonstrativer Ruhe ging ich zu ihr auf die Veranda, setzte mich in den freien Schaukelstuhl und ließ sie dabei nicht aus den Augen. Eine Weile fixierten wir uns lediglich, schätzten einander ab. Aus mir war eine Hexe geworden, die sich des alten Wissens und ihrer eigenen Kraft bewusst war. Ich war nicht mehr das Mädchen, das sie einschüchtern und manipulieren konnte. Sie hingegen hatte an Kraft verloren. Ohne ihren Coven, ohne den Segen der Großen Mutter. Die dunklen Kräfte gehorchten ihr nicht mehr. Jetzt war ich, wie die Ashera selbst, ein ernstzunehmender Gegner. Ein Grund mehr, mich aus dem Weg zu räumen. Aber die Gelegenheit hatte sie bereits dreimal verpasst. Ich hatte nicht die Absicht, ihr hier und heute eine vierte zu geben.
„Willst du nicht deine Fragen stellen?“
„Was weißt du über meine Mutter?“
„Sie war eine geborene Tochter der Ashera. Eine mächtige Hexe. Aber eine Verräterin, weil sie an dem Orden festhielt, statt ihren Platz in unseren Reihen einzunehmen. Sie täuschte den Coven, spionierte uns aus und verriet uns an unsere Feinde.“
„Die Ashera ist nicht dein Feind. Die Göttin hat dir ihren Segen entzogen, weil du ihr zuwider handelst.“
„Ah, ich sehe, du bist von Camille ausgebildet worden. Genau wie deine Mutter.“
„Um Camille geht es nicht.“
Sie lächelte, als wüsste sie etwas, das sie mir nicht verraten wollte. „Vielleicht geht es mehr um Camille, als du denkst.“ Ich ignorierte diese Anspielung, wohlwissend, dass sie mich damit nur verunsichern wollte. „Sie toleriert also deine Verbindung zu diesem Bluttrinker“, fuhr sie fort und verzog angewidert den Mund. „So wie sie es auch bei deiner Mutter tolerierte. Ich habe mich oft gefragt, ob sie die beiden nicht sogar zusammengeführt hat. Wer weiß, wie viele von euch dieser teuflischen Brut verfallen sind!“
„Weniger, als du glaubst“, entgegnete ich ruhig. „Und gib dir keine Mühe. Du kannst mich nicht verunsichern. Ich weiß, dass Mama und Lilly nur Freundinnen waren. Tante Lilly hätte sie nie angerührt.“
„Tante Lilly.“ Sie spuckte die Worte fast aus. Ließ aber von dem Thema ab, da es ihr nicht den gewünschten Erfolg brachte.
„Hast du Mama getötet, weil sie eine Bedrohung für deine Pläne war? Wolltest du auch mich deshalb verbrennen, nachdem ich die Wahrheit erfahren habe?“
„Was weißt du schon über meine Pläne?“
„Du bist die letzte Rote Hohepriesterin. Der Coven war so wichtig für dich, dass du sogar deine eigene Tochter geopfert hast, um mich zu bekommen. Willst du leugnen, dass dieser Platz zuerst meiner Mutter zugedacht war und dein Hass auf ihren Verrat vielmehr daher rührte, dass sie dich deines Traumes beraubt hat?“
„Schweig!“ Ich hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. „Ich habe ihr Jahre meines Lebens geopfert. Sie war meine rechte Hand, wusste alles, was ich tat,
Weitere Kostenlose Bücher