Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
Und weil er ihn noch immer liebt.“
„Erzählst du mir von ihm? Wenn es dir nichts ausmacht. Oder ihm.“
Sie zuckte die Achseln und erzählte, was sie über ihren Dunklen Vater wusste. Dass er etwa 1800 vor Christus in Ägypten gelebt hatte. Als Sklave am Hof eines reichen Händlers, wo Lucien ein häufiger Gast war. Er hatte Lemain gekauft und zu seinem Gefährten gemacht. Die beiden waren Jahrhunderte lang fast unzertrennlich gewesen. Dann war Lemain fortgegangen. Hatte begonnen, die Welt zu bereisen. Lucien war noch viele Jahre in Ägypten geblieben, ehe er ihm gefolgt war. Seitdem verbrachten die beiden zwar immer wieder einige Jahrzehnte zusammen, gingen aber ansonsten getrennte Wege. In Paris hatte Lemain dann gegen Ende des 18. Jahrhunderts Armand gefunden. Nach monatelangem Werben hatte er ihn zu seinem Gefährten gemacht, und sie waren über achtzig Jahre zusammen geblieben.
„Isch denke, die beiden `aben sisch wirklisch geliebt. Aber es war immer eine `assliebe. Lemain erinnerte sisch oft an ihn. Und zumindest er `at nie ganz aufge`ört, Armand zu lieben. Er war etwas Besonderes für ihn. Isch konnte da nischt mit`alten. Des`alb `aben wir uns rescht schnell getrennt.“
„Ist Lemain der Dämon, der er vorgibt zu sein?“
Wieder lächelte Sophie und man sah ihr an, dass sie ihren Vater der Dunkelheit von Herzen liebte. „Als Vampir ist er gnadenlos. Als Lieb`aber `emmungslos. Aber er liebt mit der Seele eines Unsterblischen. Und er hilft den Seinen bedingungslos. Er bindet sisch nie an sterblisches Leben, denn er weiß um den Verlust. Wenn er sisch länger um einen Sterblischen bemüht, wird dieser amEnde auch zu einem Vampir. Und wenn Lemain das beschließt, dann führt er es auch aus. Seine verführerische Macht ist sehr stark.“ Sie senkte rücksichtsvoll den Blick, konnte aber nicht umhin zu sagen: „Aber das `ast du ja selbst gespürt.“
Oh ja, das hatte ich! „Danke, Sophie“, flüsterte ich.
„Wofür? Im Grunde `abe isch dir gar nischts erzählt. Jedenfalls nischts, was disch direkt betrifft. Und nischts, was irgendetwas für disch ändern würde.“
„Du hast mir soviel erzählt, dass ich Lemain jetzt als Menschen sehen kann.“
Sie hob alarmiert ihre schön geschwungenen Augenbrauen.
„Tu das nischt! Lemain ist kein Mensch mehr. Seit fast viertausend Jahren. Da ist nischts mehr, was noch menschlisch ist. Bring ihm kein Verständnis entgegen! Er braucht so etwas nischt.“ Sie sah bekümmert aus.
„Wenn ich ihn nicht als Menschen sehen soll, als was denn sonst?“
„Als Vampir! Nischt mehr und nischt weniger. Du solltest niemanden von unseresgleischen als etwas anderes sehen. Denn wir leben alle nur für Blut. So wie du jetzt auch.“
Lucien von Memphis
Schließlich war ich wieder so weit bei Kräften, dass Lemain mir die Reise zu diesem Lucien zutraute. Es war ein merkwürdiges Gefühl, mich in seine Arme zu schmiegen und ihm bei einem Flug durch die Nacht mein blindes Vertrauen zu schenken. Ich nahm jede Einzelheit an ihm überdeutlich wahr. Teils ein Tribut an meine Sinne, die das Vampirblut bereits transformiert hatte. Teils die Erinnerung daran, schon einmal in diesen Armen gelegen zu haben. Alles preisgegeben zu haben, wenn auch nicht ganz freiwillig. Und nun umfingen diese starken Arme mich erneut, um mich sicher in eine unsichere Zukunft zu tragen. Feste Muskeln, weiche Haut. Sehnige Schenkel, die sich gegen meine pressten und eine leise Ahnung von Erregung in mir wachriefen. Und ein seltsames Aroma nach etwas ohne Bezeichnung. Etwas Überirdischem. Etwas Sündigem.
Vampire hatten
doch
einen Geruch.
Aber Menschen konnten ihn nicht wahrnehmen. Nur andere ihrer Art. Und ich gehörte nun so gut wie dazu. Der Duft war überwältigend und raubte mir fast die Sinne, so dass ich kaum wahrnahm, wie Lemain sich mit mir in die Lüfte erhob.
Lucien lebte auf einer Felseninsel vor der Küste Miamis. So weit vom Festland entfernt, dass man die Insel nicht mehr sah. Und so zerklüftet, dass kein Boot näher an die Insel herankam. Er lebte dort mit einer Handvoll sterblicher Diener, die wussten, was er war und von seinem Blut profitierten, welches ihnen ein langes Leben in Abhängigkeit von ihrem Herrn versprach. In meinen Augen wenig erstrebenswert.
Er selbst konnte die Insel jederzeit verlassen, seine Dienerschaft nur mit Hilfe eines kleinen Zwei Mann-Helikopters. Es gab nur einen einzigen Platz auf der Insel, wo der Helikopter starten und landen konnte, und den sah
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