Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
Kleines
.’
Sie scheint keine Angst zu haben, obwohl sie weiß, dass sie auf ihren Tod wartet. Ich komme näher heran. Ein Falke sitzt über ihr auf einem vorstehenden Stück Holz. Kein realer Vogel. Ihr Krafttier, das sie auch in diesen schweren Stunden nicht im Stich lässt. Langsam hebt die Frau den Kopf und sieht sich um. Sie spürt, dass etwas da ist und sie beobachtet. Ich blicke in Mamas Gesicht. Eine Welle des Schmerzes flutet über mich hinweg. Sie ist so blass und ausgemergelt. Mit dunklen Schatten unter den Augen. Aber sie strahlt noch immer eine Kraft aus, die nicht von dieser Welt ist. Und dann spricht sie mich an
.
‚Wer immer du auch bist, fürchte nicht um mich. Ich spüre deinen Schmerz, wenn ich auch nicht weiß, was dich mit mir verbindet. Doch sei ohne Angst. Sie können mir nichts tun. Ich werde weit weg sein, wenn sie kommen. Und mit meinem Körper lass sie tun, was sie wollen. Das spielt keine Rolle mehr. Solange nur sie am Leben bleibt. Beschütze sie, wenn du kannst. Und führe sie auf den rechten Weg, wenn die Zeit gekommen ist. Sie ist sein Kind. Und unser beider Blut wird stärker sein als die dunkle Macht der Hohepriesterin. Sei da, wenn sie dich braucht, mein barmherziges Wesen
.’
Nein, erkenne ich, sie spricht nicht zu mir. Sondern zu Osira. Aber im Grunde damit auch zu mir. Denn Osira ist ein Teil von mir. Meine Wölfin legt ihre Pfote auf den drallen Leib
.
‚In Ewigkeit werde ich deine Tochter schützen, Joanna. Das schwöre ich
.’
Meine Mutter hört die Worte, sie senkt dankbar den Kopf. Eine Träne stiehlt sich aus ihrem Auge, dann höre ich Stimmen draußen, und ihr Gesicht wird ausdruckslos wie das einer Statue
.
Ich wachte schweißnass auf. In meinem Kopf drehte sich alles. Dieser Traum war real gewesen. Vor langer Zeit hatte es sich so abgespielt.
„Ich war dort“, flüsterte Osira und sprang zu mir aufs Bett. „Sie hatten sie gefunden. Aber sie haben sie nicht bekommen. Die Nacht kam rechtzeitig. Und mit ihr auch Lilly, um sie fortzubringen.“
Mein Blick ging ins Leere, während ich meiner Wölfin den Kopf kraulte. Sie hatte ihr Versprechen gegenüber meiner Mutter gehalten. Sie hatte mich beschützt und würde es immer tun.
Eine Mission
Es klopfte an meiner Tür, und Ben streckte den Kopf herein.
„Stör’ ich?“ Ich schüttelte lächelnd den Kopf und fuhr fort, meine Kleidung zusammenzulegen, die heute aus der Wäscherei gekommen war. Ben schlenderte zu dem kleinen Sessel hinüber und nahm darauf Platz. „Hättest du Lust, ein bisschen Abenteuerluft zu schnuppern?“ Ich runzelte die Stirn. „Ich meine de facto eine Außenmission. Du warst noch nie mit draußen. Ich finde, allmählich wird’s Zeit für praktische Erfahrungen. Ich arbeite seit einer Weile an ein paar alten Schriften über die ‚mystische Lade von Cairn Dormet’. Sie soll geheime Lehren eines Kultes aus dem 12. Jahrhundert beinhalten und zuletzt in Schottland gesehen worden sein. Die Skizze, die den Schriften beigefügt ist, deutet auf einen Ort an der Küste hin. Ich habe gestern bis spät in die Nacht über schottischen Landkarten gebrütet und glaube nun zu wissen, welches Gebiet in Frage kommt. Ich habe auch schon mit Franklin gesprochen, ob er dir zutraut, das erste Mal mitzukommen. Er hat Ja gesagt.“
Ich war sofort Feuer und Flamme. Endlich passierte mal was! Ich war das Wälzen verstaubter Bücher und den Küchen- und Stalldienst gründlich leid. Begeistert ließ ich mich von Ben in die Details einweihen, sah mir die Karte und die Schriften an und konnte gar nicht schnell genug meine Reisetasche packen. Am liebsten wäre ich sofort aufgebrochen. Aber wir starteten erst früh am nächsten Morgen Richtung Schottland. Mit einem kleinen Wohnmobil für den Fall, dass wir länger bleiben mussten. Armand war in der Nacht nicht zu mir gekommen. Franklin wollte ihn von meiner ersten Mission in Kenntnis setzen, falls er während meiner Abwesenheit nach mir fragte. Er würde sicher stolz darauf sein, dass ich in den aktiven Dienst eintrat.
Ben und ich waren den ganzen Tag unterwegs. Es dämmerte bereits, als wir den Punkt auf der Landkarte erreichten, an dem Ben den letzten bekannten Aufenthaltsort der Lade vermutete. Wir machten ein Feuer und wärmten einen Topf mit Suppe zum Abendessen. Danach zogen wir uns todmüde von der langen Fahrt in unsere Betten im Wohnmobil zurück. Am nächsten Morgen wollten wir gleich in aller Frühe mit der Suche nach Anzeichen für den Verbleib
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