Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
mich einfach nur anzustarren.“
„Die Einladung, Euch zu beißen, meine Teure, ist ausgesprochen verlockend. Macht mir dieses Angebot besser nicht noch einmal. Ich würde ihm nur zu gern nachkommen. Aber vorher möchte ich mich mit Euch vertraut machen.“
„Machen Sie das mit allen Opfern so?“
„Nur, wenn es sich lohnt.“
Ich ließ mich resigniert wieder in den Sessel fallen. „Sie wollen mich also kennen lernen. Gut! Fragen Sie mich, was Sie wissen wollen. Und da wir wohl bis zum Morgengrauen so vertraut miteinander sein werden, dass Sie mein Blut trinken, können wir die Förmlichkeiten ablegen. Dass ich Melissa heiße, weißt du ja bereits,
Lemain
.“ Wie ich seinen Namen betonte, schien ihn zu amüsieren.
„Wie du meinst,
Melissa
.“ Er lachte leise. Ein angenehmes Lachen, wäre es nicht ausgerechnet von ihm gekommen. Eine Weile herrschte wieder Schweigen. Er sah mich eindringlich an, taxierte mich, versuchte abzuschätzen, wie stark ich war. Wollte herausfinden, wie viel ich schon gekostet hatte von der Macht des Dunklen Blutes. Wie stark es in mir floss und was mich in Herz und Seele mit Armand verband. Er machte mich nervös, aber ich konnte nichts dagegen tun, dass er mich mit all seinen übernatürlichen Sinnen prüfte. Ich konnte mich dem nur öffnen, damit es schneller vorüber war. Dann sagte er schließlich leise: „Wie schön, dass Armands Verbindung mit dir bereits so stark ist, dass er spüren muss, dass du in diesem Augenblick meiner Gnade ausgeliefert bist.“
Ich erstarrte. „Warum freut dich das?“
„Weil ihn dieses Wissen quälen wird“, antwortete er mit einem zufriedenen Grinsen.
„Aber ich dachte …“
„Was? Dass ich euch beide aus Rücksicht auf eine alte Freundschaft am Leben lasse? Oh bitte! Ich dachte nicht, dass du so naiv bist.“
„Falls du ihn wirklich kennst.“
„Kennen, meine liebe Melissa, ist stark untertrieben. Er ist mir so vertraut wie ein Bruder.“
Ich schluckte hart. „Und warum hasst du ihn dann so sehr, dass du ihn quälen willst?“
„Weil er mir das genommen hat, was ich in meinem untoten Leben am meisten geliebt habe.“
Verständnislos blickte ich zu ihm hinüber, obwohl eine ungute Ahnung dunkel in mir aufstieg. „Wie?“
„Er hat mich verlassen.“ Ich schnappte nach Luft. „Erstaunt, meine Liebe? Ach ja, du glaubst mir ja nicht, dass ich ihn kenne.“
„Wenn du ihn wirklich so gut kennst, dann musst du mir das schon beweisen. Du wirst doch wohl einiges über ihn wissen, wenn ihr Jagdgefährten wart.“
Sein Lächeln erstarb. Stattdessen trat wieder dieser unbarmherzige Ausdruck in seine Züge. Seine Stimme klang gefährlich leise, als er sagte:
„Wir waren in der Tat doch etwas mehr als Jagdgefährten.“
Ich hatte ihn gereizt. Vielleicht war meine einzige Chance, falls ich überhaupt eine hatte, ihn dazu zu bringen, die Beherrschung zu verlieren. Allerdings konnte mich das genauso leicht das Leben kosten. Ganz abgesehen davon, waren auch meine Nerven zum Zerreißen gespannt.
„Und was genau wart ihr, wenn ich fragen darf?“ Meine Stimme zitterte, weil ich fürchtete, die Antwort schon zu kennen.
„Er ist mein Dunkler Sohn.“
Die Betonung lag auf
mein
, und seine Augen glühten, als er es sagte. Ich war vorbereitet gewesen, das zu hören, aber es traf mich trotzdem wie ein Schlag ins Gesicht. Armands Schöpfer! Der Mann ohne Namen, ohne Gesicht. Von dem Armand so ungern sprach. Dessen Erinnerung den Schatten von Schmerz und Trauer und Angst über seine Züge huschen ließ. Die Dunkelheit, vor der er geflohen war, als er Frankreich für immer den Rücken gekehrt hatte. Mit kalten Fingern griff das Entsetzen nach mir. Ich saß in einer Falle, deren Ausmaß mir immer bewusster wurde.
„Nein!“, stieß ich hervor. „Das glaube ich dir niemals!“
„Warum sollte ich dich anlügen?“ Er sprang auf und schoss auf mich zu, packte mich an der Kehle. „Wenn du so sicher bist, dass ich dich ohnehin im Morgengrauen töte, dann verrate mir, warum ich dich belügen sollte.“
„Nein, ich kann nicht glauben, dass ein solch bösartiges Geschöpf …“
„Oh, und du glaubst, Armand sei ein kleiner Unschuldsengel? Ach nein, wie süß! Gaukelt er dir das etwa vor? Dann hast du ihn noch nicht sehr gut kennen gelernt. Er ist ein Killer, genau wie ich. Deshalb habe ich ihn ausgesucht. Weil er stark ist und betörend und rücksichtslos. Geschaffen für ein Leben in der Finsternis. Er tötet nicht nur, um zu leben. Er
Weitere Kostenlose Bücher