Ruf des Blutes 1 - Tochter der Dunkelheit (German Edition)
erschauern zu sehen. Dann ließ er mich los. „Du könntest selbst Sophie nicht widerstehen, wenn sie dich mit ihrer einschmeichelnden Stimme einlullen würde. Und ihre Macht ist nichts im Vergleich zu der meinen.“
Um ihn nicht länger hören zu müssen, hielt ich mir die Ohren zu, aber es nutzte nichts. Seine Stimme war bereits in meinem Kopf. Tanzte in meinen Gedanken, wie seine Hände über meine Haut. Ganz zart strich er über meine Wange, hauchte einen Kuss auf meine Stirn, dann auf meine Lippen. „Bitte!“, flüsterte ich und war mir nicht mal sicher, ob er mich gehört hatte. Er sank zu Boden und zog mich mit sich. Wie ein Kind hielt er mich im Arm. Genauso, wie Armand es oft tat.
„Du bist wunderschön, Melissa. Genau wie sie. Auch ohne sein Blut in dir hätte ich es sofort gewusst. Ich verstehe, warum er dich will. Und sein Blut fließt bereits in dir. Es ist nur eine Frage der Zeit, und du wirst eine von uns sein. Willst du, dass ich es jetzt tue?“
„Nein“, wimmerte ich verzweifelt. „Ich will es überhaupt nicht. Nicht von Armand, und schon gar nicht von dir.“
„Oh doch, du willst es! Du willst seine Gefährtin sein. Schon eine ganze Weile denkst du über diese Möglichkeit nach. Aber du hast Angst. Armand hatte auch Angst. Er fürchtete sich vor den Gefühlen, die er für einen Mann empfand. Dabei war er damals bereits verlobt. Mit einer jungen, französischen Adligen.“ Madeleine. Mein Ebenbild. Das Geheimnis um diese Frau, die mir so ähnlich war, dass es Armand und auch Lemain verblüfft hatte. Er hatte sie also gekannt. Und sie war Armands Braut gewesen. „Doch dann kam ich. Wob ein Netz um ihn, so dass er sich mehr und mehr in mich verliebte. Anfangs stieß er mich fort, wenn ich ihn berührte, ihn küsste. Doch mit jedem meiner Besuche wurde sein Widerstand schwächer. Ich habe ihn so weit gebracht, dass er mir entgegenfieberte. Sich in meine Arme warf, wenn ich ihn des nachts aufsuchte. Ich ließ ihn wissen, was ich war, und er verzehrte sich danach, mir nahe zu sein. Er war leidenschaftlicher als alle anderen vor ihm.“ Ich fühlte, dass ich bereits in seiner Gewalt war. Seine Zärtlichkeiten waren kühner geworden, seine Stimme vor Leidenschaft dunkel. Er spürte die Erregung von damals und ließ mich daran teilhaben. „Fast zwei Wochen habe ich ihn warten lassen, nachdem er mich das erste Mal bat, ihn zu nehmen. Ich habe es nicht getan. Ich bin gegangen und habe auf ihn gewartet. Bis er zu mir kam. Das Feuer brannte so heiß, dass es ihm fast den Verstand raubte. Er schwor, mir alles zu geben, wenn ich nur bei ihm läge. Er wollte für mich sterben und ewig leben. Es hätte keinen Besseren geben können als ihn. In den Tiefen seiner Seele war er genau wie ich. Und er war so wunderschön, dass ihm niemand widerstehen konnte. Geschaffen für die Jagd nach Blut, für den Rausch der Nacht. Er spürte kaum den Schmerz, als ich meine Zähne in ihn schlug, denn er war rasend vor Verlangen. Trunken von meinem Blut, liebte er mich bis zur völligen Erschöpfung. Er war mein. Und er wird es immer sein.“
Es war schlimm genug, ihm zuhören zu müssen, doch Lemain ließ mich die Bilder sehen, die in seiner Erinnerung verankert waren. Und war die Vorstellung von Armand und Franklin vereint in heißer Leidenschaft schon schmerzlich für mich gewesen, so waren diese Bilder die reinste Folter. Meine Reaktion blieb nicht aus. Lemain erreichte, was er wollte. Auch das Wissen, was er mit mir tat, gab mir keine Macht, mich ihm zu entziehen. Eine bleierne Schwere ließ meine Seele ebenso wie meinen Körper den Gehorsam verweigern. Ich reagierte nur noch auf ihn. Und er machte sich nicht die geringste Mühe, seine Absichten zu verbergen. Seine Hände glitten über meine nackte Haut. Ich spürte bereits die Spitzen seiner scharfen Fangzähne, da drang durch den Nebel, den er um meinen Verstand gewoben hatte, die Stimme von Sophie.
„Lemain, isch verlange, dass du auf` örst damit! Sie hat nischts mit dem zu tun, was er dir vor langer Zeit angetan `at. Und es `at auch nischts mit der Angelegen`eit zu tun, die disch `ier`er gebracht `at.“
Mehr bekam ich nicht mehr mit. Der Nebel wurde dichter, als Lemain mich in den Tiefschlaf schickte.
Ein Handel
Ich erwachte benommen. Im ersten Moment fand ich mich nicht zurecht, konnte mich nicht erinnern, wo ich war. Aber es war kalt, feucht und dunkel. Ich blinzelte, sah zur Decke, konnte jedoch keine erkennen. Sie war zu hoch über mir. Im Mund
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