Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
wie fängt man den Fuchs besser als mit einem Rudel Wölfe, das man ihm auf die Fersen hetzt?“
„Lycaner“, schnaubte Leonardo. Vorsichtig betastete er seinen Hals, wo die Einstiche der Nägel sich gerade schlossen. „Haben Vampire so wenig Stolz, dass sie sich von denen helfen lassen?“
„Die Lycaner sind nicht unsere Feinde. Noch nicht. Und sie sind uns in mancherlei Hinsicht überlegen. Ihre Hilfe aus falschem Stolz abzulehnen, wäre nicht nur sehr dumm, sondern gefährlich. Aber davon verstehst du noch nichts. Das Ungestüm der Jugend.Es sei dir vergeben. Wenn Melissa im Namen der Ashera die vereinte Unterstützung von Vampiren und Werwölfen annimmt, ist das zu unser aller Wohl. Dann hat Dracon keine Chance.“
*
Eine verhüllte Gestalt trat aus dem engen Eingang. Demion schnellte sofort von seinem unbequemen Lager hoch. Froh, von den Ketten befreit und somit wehrhaft gegen den Feind zu sein. Doch es war nur Zolut, sein Bruder, der nun die Kapuze zurückwarf und sich mit einem hässlichen Lächeln auf den Lippen zu erkennen gab.
„Der Rat hat entschieden, Bruderherz. Ich dachte mir, du willst die Botschaft vielleicht lieber aus dem Munde eines Verwandten empfangen, als durch die Leibgarde.“
Demion schluckte hart, doch sein Gesicht zeigte keine Regung. Er hatte damit gerechnet, dass der Rat seine Entscheidung nicht mehr ändern würde. Auch nicht, wenn der König selbst die Fürsprache übernahm.
„Ihr werdet sterben, Brüderchen“, fuhr Zolut fort. „Auf unserer Burg. Unser Vater gewährt euch die Gunst, gemeinsam dem Tod ins Auge zu sehen. Wie wundervoll. Aber bis zu eurem Hinrichtungstag ist noch etwas Zeit, die ihr in getrennten Zellen verbringen werdet. Ich denke, ich werde mich ganz wunderbar mit deiner kleinen Stute vergnügen, während du auf eure Wiedervereinigung wartest. Du hast Geschmack, dass muss ich dir lassen. Diese schlanken Fesseln, die wallende Mähne. Sehr vielversprechend.“
Er lachte böse, wartete wohl auf eine Reaktion seines Gegenübers. Auf Tränen, flehen, betteln. Irgendein Anzeichen von Verzweiflung. Doch nichts geschah. Demion stand ungerührt im Raum und erwiderte stumm den Blick. Er würde keine Schwäche zeigen, das hatte er sich geschworen. Das Lachen blieb Zolut im Halse stecken. Wütend und enttäuscht, dass es ihm nicht gelang, den verhassten jüngeren Bruder aus der Reserve zu locken, drehte er sich um und bückte sich wieder in den kleinen Durchlass. Das war die Gelegenheit, auf die Demion gewartet hatte. Wie eine Furie schoss er auf seinen Bruder zu und brach ihm in einer einzigen schnellen Bewegung das Genick.
Der verdrehte Körper zuckte unkontrolliert am Boden in dem Versuch, die Glieder wieder zu ordnen und zu heilen. Eine Weile schaute Demion dem Prozess zu, dann bückte er sich, zog ihm den Umhang aus, verbarg sich selbst darunter und ließ den Bruder mit einem Fingerzeig und einem kurzen Auflodern in den Augen in Flammen aufgehen. Kein Ton kam über die Lippen des Sterbenden, als sich rotblaue Flammen durch das Fleisch fraßen. Innerhalb weniger Sekunden war alles vorbei.
Er trat als verhüllte Gestalt zwischen den beiden Ghanagoul-Wächtern wieder ins Freie. Zur Sicherheit sprach er kein Wort, damit seine Stimme ihn nicht verriet. Fragend neigte er den Kopf in Richtung des zweiten Durchlasses. Im ersten Moment zischten und knurrten die Wächter warnend, doch schließlich gaben sie auch diesen Durchgang frei, um dem Bruder des zum Tode Verurteilten die Gnade zu gewähren, auch mit der Braut ein paar letzte Worte zu wechseln.
Ivanka wich ängstlich in die hinterste Ecke ihrer kleinen Zelle zurück, als sie das Emblem des Kortigu-Clans – einen Bären aus Feuer – auf dem Umhang ihres Besuchers prangen sah. Doch als die Kapuze nach hinten fiel und sie ihren Liebsten erkannte, warf sie sich schluchzend in seine Arme.
„Demion! Mein Schatz! Wie hast du es geschafft zu mir zu kommen?“
„Scht, Ivanka. Wir müssen leise sein. Uns bleibt nicht viel Zeit. Der Rat hat sein Urteil nicht gemildert. Mein Vater will uns hinrichten lassen. Uns bleibt nur die Flucht. Auch wenn wir dann als Geächtete immer im Verborgenen bleiben müssen. Bist du bereit, das auf dich zu nehmen?“
„Für unsere Liebe würde ich alles tun“, antwortete sie und sah ihm fest in die Augen.
Er lächelte, strich ihr zärtlich die blonden Locken zurück und drückte einen Kuss auf ihre Stirn. „Dann tu, was ich dir sage. Folge mir bis zum Ausgang, aber bleib im
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