Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
doch gleich wieder da. Osira, kannst du ihn nicht ein bisschen trösten? Er ist schließlich
dein
Freund.“
Osira legte ihren Kopf in Tuscons Nacken, woraufhin er mit einem letzten langgezogenen Seufzer nachgab und schwieg. „Braves Tier.“
Ich hob den Feldstecher wieder an die Augen. Die geänderte Szenerie gefiel mir nicht. Pettra hatte ihre Waffe, eine Neunmillimeter, auf ihr Opfer gerichtet, sicher um ihn dazu zu zwingen, ihr die Akten zu geben, dabei aber nicht bemerkt, dass er einen Signalknopf unter seinem Tisch gedrückt hatte. Drei Bodyguards mit gezückten Pistolen befanden sich nur noch vier Räume von ihnen entfernt. Ein Glatzkopf und zwei mit schmierigen schwarzen Haaren. Alle drei die reinsten Kleiderschränke. Ach herrje, das bedeutete Ärger. Ich bezweifelte zwar nicht, dass Pettra damit klarkommen würde, aber ich wäre das Gefühl nicht losgeworden, sie im Stich zu lassen, wenn ich weiterhin nur Beobachter blieb. Also wies ich die beiden Wölfe streng zurecht: „Ihr bleibt hier!“ Und glitt augenblicklich zum Gebäude auf der anderen Seite hinüber, zu dem Zimmer neben dem Hauptbüro.
Der Sims war sehr schmal, aber es gelang mir, meine Füße darauf zu platzieren. Ich öffnete das Fenster mit meiner Willenkraft und schob es weit genug hoch, um mich nach innen zu quetschen. Die Bodyguards waren schon im Anmarsch. Sie würden jeden Augenblick die Tür aufstoßen und vor mir stehen. Ich sandte Pettra telepatisch eine Botschaft, dass sie sich beeilen sollte. Hoffentlich empfing sie die auch. Wir hatten nie ausprobiert, ob wir über unsere Gedanken miteinander kommunizieren konnten. Da flog auch schon die Tür auf und die drei Kleiderschränke stürmten herein. Hätte ich Zeit dafür gehabt, ich hätte mich über ihre blöden Gesichter totgelacht, als sie mich mit in die Hüften gestemmten Händen vor der Tür zum Büro ihres Chefs stehen sahen.
„No way, meine Herren. Das ist eine Privatunterhaltung”, erklärte ich. „Sie wollen doch so ein nettes Tete-a-tete nicht stören.“ Während seine Kollegen noch immer verblüfft Löcher in die Luft starrten, erholte sich zumindest Glatzi von seinem ersten Schock. Er hob seine Waffe und feuerte ein Mal. Ich war bei ihm, noch ehe die Kugel in die Wand einschlug, genau an der Stelle, wo ich Sekundenbruchteile zuvor noch gestanden hatte. Dieser Scheißkerl hätte mir doch tatsächlich zwischen die Augen geschossen.
Ich brach ihm das Genick. Und während ich mich mit einem Fauchen auf den zweiten Typen stürzte, der seine Schusswaffe mit zitternden Händen vergeblich zu entsichern versuchte, und ihm meine Fänge in die Kehle schlug, hörte ich hinter mir nur lautes Gepolter, das davon kund tat, dass Pettra den dritten Bodyguard außer Gefecht setzte.
Auch meine kleine Zwischenmahlzeit überlebte diesmal nicht. Das wäre wohl doch zu gefährlich gewesen in Anbetracht der Tatsache, dass sie sowohl Pettra als auch mich jederzeit wiedererkannt hätten. Die letzten Schlucke schmeckten bitter, nach Tod. Der mühsame Herzschlag, der noch immer versuchte, das Blut in die lebenswichtigen Organe zu pumpen, obwohl längst nicht mehr genug vom roten Saft vorhanden war, klang dumpf. Ich sah den zuckenden Muskel vor meinem inneren Auge, spürte die Anstrengung, mit der er sich zusammenzog und wieder losließ. Es war das erste Mal, dass ich jemanden auf diese Weise tötete. Selbst bei meinem allerersten Opfer, gleich nach der Wandlung, hatte ich nicht bis zum Stillstand des Herzens getrunken, sondern es Armand überlassen, die letzten Tropfen Lebenssaft aus der jungen Frau zu saugen. Für eine Sekunde war ich auch diesmal versucht, mein Opfer wieder freizugeben, ehe der letzte Schlag verklang. Weil es ein beängstigendes Gefühl war, wie das Leben langsam verlosch. Doch mein Dämon protestierte knurrend und saugte auch den allerletzten Tropfen aus dem schlaffen Körper. Während er zu meinen Füßen niedersank, versuchte ich, nicht weiter darüber nachzudenken, sondern wandte mich wieder Pettra zu.
„Bist du hier fertig?“, fragte ich meine Freundin.
„Alles erledigt. Und die Akten habe ich auch.“
„Schade!“
„Was ist schade?“
„Na, dass ich wieder nicht gesehen habe, wie du das machst mit dem Lebensjahre aussaugen. Und das alles nur, weil ich deinen Arsch retten musste. Du schuldest mir was.“
Wir lachten und verließen den Ort des Geschehens. Sollte seine Putzfrau den Müll doch morgen früh wegräumen.
Wenig später saßen wir, nachdem wir
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