Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
unsere Wölfe wieder eingesammelt hatten, im milden Herbstwind Floridas zusammen in dem kleinen Café, wo wir uns das erste Mal begegnet waren. Inzwischen waren wir hier gern gesehene Stammgäste. Wir hatten noch eine Weile über den erfolgreich beendeten Job geflachst und ich hatte Pettra vorgeworfen, dass sie es mir zumindest schuldig war, heute den Cappuccino zu bezahlen, wo ich ihr praktisch das Leben gerettet hatte. Sie hatte nichts einzuwenden. Jetzt plauderten wir schon seit einer Weile über ihre Vergangenheit und ihre Mutter. Ein Thema, das Pettra sehr bewegte, weil sie so gern Kontakt zu ihren Eltern aufgenommen hätte. Doch sie würde nie erfahren, wer genau sie waren.
„Willst du nicht zumindest wissen, ob du zur Hälfte Mensch oder Vampir bist?“, fragte ich schließlich.
Sie schaute ein wenig verwirrt. „Ich wüsste nicht wie.“
„Über dein Blut zum Beispiel. Es gibt sicherlich Unterschiede zwischen menschlichem und vampirischem Blut, die man klar zuordnen kann. Ich hab das zwar noch nie probiert und mir bisher auch keine Gedanken dazu gemacht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es möglich ist, so was festzustellen. Man könnte in deinem Blut gezielt nach bestimmten Merkmalen suchen, die verraten, ob du das Dunkle Blut hast, oder nicht.“ Sie schwieg, blickte mich nur mit großen, ungläubigen Augen an. „Natürlich nur, wenn du möchtest“, fügte ich hinzu. Ich hoffte, ihr mit meiner Idee nicht zu nahe getreten zu sein.
Plötzlich lächelte sie und strahlte schließlich begeistert. „Ja. Oh ja, Mel das wäre schön. Ich wüsste es so gerne.“
Sie ergriff meine Hand, was mich erröten ließ. Ihre Haut war warm. Ihre Finger lagen goldschimmernd auf meinen weißen Gliedern. Wir waren einander so ähnlich und zugleich so verschieden. Mit dem Daumen strich ich in zärtlicher Geste über ihre Fingerspitzen.
„Dann werden wir es versuchen. Sobald ich alle nötigen Utensilien besorgt habe, versuchen wir, das Geheimnis zu ergründen.“
*
Versonnen beobachtete er die beiden Frauen, die so ähnlich und doch so verschieden waren. Eigentlich interessierte die Goldene mit dem rotschwarzen Haar ihn kaum. Auch wenn sie möglicherweise das wichtige Puzzleteil war, auf das es ankommen würde. Aber Melissa war viel wichtiger für ihn. Seine Seele verwob sich mit der ihren. Er konnte sogar den Schmerz spüren, der auf ihr lastete. Die Lehren des Lords waren nicht ganz das, was sie erwartet hatte. Doch seine Macht war zu stark für sie. Es gab kein Entrinnen. Nicht mal durch ihre sonderbare neue Freundin. Ob der Lord von ihr wusste? Sicher tat er das. Er wusste alles. Es war so schwierig, sich vor ihm zu verbergen.
Zweimal schon hatte er seine Nähe gespürt und wäre um ein Haar entdeckt worden. Man musste sehr gerissen sein, um seinem suchenden Geist zu entgehen. Doch er war schließlich lange genug sein Geliebter gewesen, um ihn in- und auswendig zu kennen. Er wusste, wie man den Lord täuschte. Es musste ihm noch ein Weilchen gelingen, damit seine Pläne nicht durchkreuzt wurden. Der Lord würde ihn vielleicht aufhalten. Oder ihm zuvor kommen. Das wäre nicht gut. Er hatte keine Ahnung, welche Pläne Lucien mit der jungen Vampirin hatte, aber dass er sie nicht ohne Grund so stark an sich band, lag auf der Hand. Sie war das Schicksal. Und diese Sonnenfrau war Bestätigung genug, dass es genau das Schicksal sein würde, das er im Sinn hatte.
*
Camille hatte Franklin durch John gebeten, sie in ihrem Zimmer aufzusuchen. Als er eintrat und Camille im Bett liegend vorfand, griff eine dunkle Vorahnung mit kalter Hand nach seinem Herzen. Es war so weit. Das Sterben begann.
„Franklin. Ich danke dir, dass du so schnell gekommen bist.“
Sie klang matt und erschöpft. Ihr Gesicht war wächsern und fleckig. Immer wieder wurde ihr Körper von heftigem Zittern erfasst. Ob Schmerz oder eine innere Kälte die Ursache war, konnte Franklin nicht sagen.
„Melissa ist noch nicht wieder zurück?“ Er schüttelte stumm den Kopf. „Natürlich nicht. Sonst wäre sie zu mir gekommen. Welch dumme Frage.“
Sie musste husten. Blutstropfen schimmerte auf dem weißen Tuch, das sie sich vor den Mund hielt. Franklin schluckte hart.
„Du musst sie holen, Franklin. Du musst zu Luciens Insel reisen und sie bitten, dass sie mit dir kommt.“
Die Isle of Dark. Er hatte Angst, sich der geheimnisvollen Insel zu nähern. Dem mächtigen Lord, von dem Armand gesprochen hatte. Aber die Zeit lief ihnen davon.
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