Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
und fand schließlich zu mir selbst zurück. Ohne ihn gäbe es mich heute nicht mehr.“
*
Virginia räumte gerade das Tablett ab als Franklin hereinkam. Auch heute hatte Camille kaum etwas von dem Essen angerührt. Sie wurde zusehends schwächer, hatte kaum noch Appetit.
„Schaut nich gut aus“, sagte Vicky und blickte besorgt drein. „Weiß nich mehr, was ich noch machen soll. Lehnt alles ab, das Täubchen. Ich glaub, ’s geht zuende.“
Franklin legte die Hand in einer beruhigenden Geste auf den Arm der drallen Irin. Doch auch er war in tiefer Sorge. Sie wussten beide, dass es für Camille keine Rettung mehr gab. In den letzten Tagen war der Verfall rapide fortgeschritten. Trotzdem beharrte sie darauf, ihre Arbeit zu Ende zu bringen, hatte ihre allgemeinen Aufgaben im Mutterhaus wieder übernommen und sprach nicht mit einem Wort über ihre Krankheit. Sie nahm an allen Sitzungen und Konferenzen teil. War geistig hellwach. Auch wenn sie immer blasser wurde und der Schmerz tiefe Linien in ihr hübsches Gesicht malte. Wenn die Pflichten es erlaubten, saß sie über ihren geheimen Büchern und gönnte sich auch dann keine Ruhe.
Ein paar Mal hatte sie nach Mel gefragt. Franklin wusste nicht, was er sagen sollte. Wie viel sie vielleicht auch ahnen mochte. Schließlich war ihre Verbindung zu Melissa sehr stark.
„Wirst du sie erreichen können, wenn ich dich darum bitte?“, hatte sie wissen wollen. Er hatte bejaht, doch in Wahrheit war er sich nicht sicher. Sie hatte ihr Handy wieder einmal nicht mitgenommen. Emails las sie nicht, er hatte mehrere mit Empfangsbestätigung geschickt, doch noch keine Rückmeldung erhalten. Sie löschte zwar auch keine seiner Nachrichten, aber ganz offensichtlich wollte sie im Moment keinen Kontakt zum Orden, auch wenn sie sich regelmäßig ins Netzwerk einloggte. Franklin dachte mit Grauen daran, dass es im Zweifelsfall nur einen Weg geben würde, Mel an Camilles Sterbebett zu holen. Eine Reise auf die Isle of Dark.
Seit Armand den Lord Lucien von Memphis erwähnt hatte und sein Refugium auf der Dunklen Insel im Meer vor Miamis Küste, hatte Franklin die Archive der Ashera nach dem tödlichen Engel durchforstet.
Er war bemerkenswert in seiner Schönheit und Aura. Seine Macht schien grenzenlos. Er verfügte über eine unüberschaubare Menge an Geld. Dennoch lebte er zurückgezogen wie ein Einsiedler. Er hatte zwei Gesichter. Der exzentrische Milliardär und Burgherr. Und der wohlhabende, legere Künstler. Woher genau sein Reichtum stammte, war schwer zu sagen. Die Künstleragentur und die Galerie liefen gut. Doch der Großteil des Vermögens dürfte wohl aus anderen, älteren Quellen stammen.
Bislang hatten nicht mal die Mitglieder des Ordens Spuren seiner Opfer verfolgen können. Er war zu gerissen. Zu vorsichtig. Es gab keinerlei Hinweise, was mit jenen geschah, die in seine Fänge gerieten. Nicht einmal darauf, wer in seine Fänge geriet. Seine Ziehkinder, deren Werke er ausstellte und für die er Marketing und Weiterbildung übernahm, vergötterten ihn, obwohl sie nur selten direkten Kontakt zu ihrem Mentor hatten. Sie beschrieben ihn als großzügig, engagiert und überaus begabt. Dabei wussten sie so gut wie nichts über ihn.
Der Lord war seit über fünftausend Jahren schon unsterblich. Einst Lozerian-Amunep, Sohn eines reichen Kaufmannes im alten Ägypten. Bis man eines Morgens die blutleere Leiche seiner Frau im heimatlichen Hof fand, von ihm keine Spur.
Armand hatte eine Weile bei ihm gelebt. Es hatte Franklin erschüttert, den Namen seines Liebhabers in Zusammenhang mit einem derart mächtigen Vampir zu lesen. Die Verbindung bestand über Lemain Vitard. Alias Lemanus Ventus. Alias Lemasir – Sklave in Ägypten. Armands Vater der Dunkelheit und im Grunde mitverantwortlich dafür, dass Melissa jetzt ein Vampir war. Lemains Verbindung mit dem Lord ging tief. Er war von seinem Blut. In die Nacht geboren vor viertausend Jahren und für Jahrhunderte Luciens treuer Gefährte. Lemain – Melissas einstiger Peiniger. Und ihr Retter, wenn er ihren Worten Glauben schenkte.
Wie viel wusste er überhaupt von seiner Tochter? Wie sehr hatte sie Das Blut tatsächlich verändert? Jetzt war sie dort. Bei einem Geschöpf, dessen Macht nicht abzuschätzen war. An das niemand näher herankam. Das feine Netz aus Blutsbanden zog sich enger und enger. Lag wie eine hauchdünne Schlinge um Franklins Hals, die ihm die Luft abschnürte. Wie tief das alles gehen mochte?
„Plant ihr
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