Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
das nicht. Wenn du mich brauchst, dann komme ich.“
Bevor ich mich an diesem Abend mit Armand in einem Szeneclub in der Innenstadt treffen würde, wollte ich noch etwas in Gorlem Manor erledigen. Ich vergewisserte mich, dass Franklin noch immer in seinem Arbeitszimmer saß, wo er über den Protokollen der letzten Einsätze brütete. Dann schlich ich mich, wie schon am Abend zuvor, in seine Privaträume, öffnete das geheime Schloss an seinem Schreibtisch und holte die lederne Mappe hervor, die er so sorgsam verbarg. Vor mir und dem Magister.
„Mel! Was machst du hier? Mitten in der Nacht.“
Er stand überraschend in der Tür, während ich die Seiten durchblätterte, auf denen er mein Leben festgehalten hatte. Meine eigenen Aufzeichnungen vom letzten Dezember, Fotos und Briefe aus meiner Kindheit, die er von meiner Mutter Joanna erhalten hatte, und zuletzt alles über den neugeborenen Vampir Melissa Ravenwood.
Langsam drehte ich mich zu ihm um. Ich sah ihm an, welchen Weg seine Gedanken nahmen. Sah die schwache Hoffnung und die Angst in seinem Blick. Dass ich vielleicht um der Leidenschaft willen in seine privaten Räume eingedrungen war. Sein Zittern verriet, dass er darauf hoffte, obwohl er nicht hoffen wollte, und dass er sich so sehr davor fürchtete, dass ich die gleichen Gefühle in mir trug und ihnen ein zweites Mal nicht widerstehen würde. In meinen Augen blitzte der Dämon kurz und verheißungsvoll auf. Doch ich war nicht geneigt, dem nachzugeben.
Stattdessen legte ich den mitgebrachten Bogen Papier in die Aktenmappe, klappte sie zu und legte sie in die Schublade zurück.
„Ich habe nur meiner Akte etwas hinzugefügt“, antwortete ich.
Er erbleichte. „Deine Akte? Du weißt …“
Anscheinend befürchtete er meinen Zorn, weil er eine Akte über mich führte, ohne mich davon unterrichtet zu haben. Ich musste lächeln.
„Hältst du mich wirklich für so naiv, dass ich glauben würde, du legst keine Akte über mich an?“
„Sie ist nicht in den öffentlichen Archiven“, beeilte er sich zu versichern.
„Ja, deine Familie hältst du aus den öffentlichen raus, nicht wahr? Armand. Mich. Welch eine Verschwendung!“ Ich erhob mich langsam. „Oder gibt es einen besonderen Grund, warum du sie verborgen hältst?“
Diese Anspielung war leichtsinnig. Seine Lippen bebten. Weil er vielleicht verstand? Nein, in seinen Gedanken war keine Spur vom Magister. Nur von mir und ihm vor einem flackernden Kaminfeuer, mit einem verbotenen Glanz in den Augen.
Ich umrundete den Schreibtisch mit wenigen Schritten und ging auf ihn zu. Er spannte sich an. Lächelnd drückte ich ihm im Vorbeigehen einen Kuss auf die Wange und wünschte ihm eine gute Nacht. Wohlwissend, dass er nachsehen würde, was ich in meine Akte gelegt hatte, sobald ich aus der Tür war. Mochte es ihm eine Warnung sein.
Dunkler Engel
Ein Engel mit schwarzen Schwingen
Trägt meine Seele nun
Nährt mich mit grausamem Hunger
Die Augen so rot wie das Blut
Das meinen Lebensweg bestimmt
Geht er voran
Flammendes Schwert in seiner Hand
Richtet die Sünden der Welt
Durch mich
Aus tiefster Dunkelheit
Steigt Sehnsucht empor
Verhüllt die Trauer
Legt den Schmerz in Schlummer
Mein Mitleid ist Leid
Meine Liebe vergiftet die Herzen
Der Tod ist mein treuer Begleiter
Erlöschende Lebenslichter
In meiner zärtlichen Umarmung
Leichtes Hinübergleiten
Von verlorenen Seelen
In meinem Atemzug
Melissa
Wehr dich, Wolf
Als Armand öffnete, stand Franklin in der Tür.
„Bonsoir, Franklin. Willst du zu mir oder zu Mel?“
Franklin quittierte die Worte mit einem verletzten Blick, sagte aber nichts, während er das Haus betrat. Ich wusste, dass die beiden regelmäßig mehr taten, als nur ein Glas Wein zu trinken und zu plaudern. Doch Franklin vermied es, mit mir darüber zu sprechen. Deshalb war ihm Armands Andeutung in meiner Nähe peinlich. Davon abgesehen ließ ihn der Gedanke an unseren Kuss nicht los. Er konnte ja nicht wissen, dass ich Armand noch kein Sterbenswort davon gesagt hatte. Ich erhob mich von meinem Platz und trat auf meinen Vater zu.
„Ich habe einen Auftrag für dich, Mel.“
„Was für einen Auftrag, Dad?“
Wir bemühten uns beide um einen kühlen, souveränen Tonfall, was uns nicht leicht fiel. Ihm noch weniger als mir.
„In einem kleinen Ort in Rumänien, etwa achtzig Kilometer von Bukarest entfernt, macht angeblich ein Rudel Werwölfe Jagd auf Menschen. Es hat mehrere Todesfälle gegeben.“
„Werwölfe
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