Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
nicht mehr ich. Es hat sich angefühlt, als sei ich im eigenen Körper gefangen und beobachte, wie ein fremder Wille meine Glieder und mein Handeln lenkt. Ich werde den entsetzten Ausdruck in den Augen des Stadtstreichers nie vergessen, als ich über ihn herfiel und seine Halsschlagader zerfetzte. Der Geruch und die Wärme des Blutes machten es noch viel schlimmer, ich hatte keine Kontrolle mehr.“
Steven verstand. „Du hast Angst, dass es beim nächsten Mal noch schlimmer wird. Dass du keine Wahl hast, ob du tötest oder nur den kleinen Trunk nimmst.“
Warren nickte. Er blickte die nächtliche Straße entlang, beobachtete die Passanten, die im Licht der Straßenlaternen unterwegs waren. Allein oder in Grüppchen, schweigend oder lachend. Hunger und Verzweiflung lagen in seinen Augen, aber er rührte sich nicht.
„Es ist wie ein Spiel, Warren. Nur wenn du lernst, es zu spielen, kannst du es auch gewinnen. Dann besiegst du dein Opfer, aber auch den Dämon in dir. Die Kontrolle liegt immer in deiner Hand, er ist ein Teil von dir, also fürchte ihn nicht. Mach ihn zu deinem Verbündeten und spiele mit ihm zusammen.“
Der zweifelnde Blick verriet, dass Warren sich nicht vorstellen konnte, wie das vonstatten gehen sollte. Steven lächelte ihm ermutigend zu.
„Der Dämon ist biologisch gesehen nur eine Anomalie deiner Blutzellen. Denke daran bei der Jagd und nicht an den Hunger. Wenn du ihn nicht als ein eigenständiges Wesen siehst, wird es einfacher. Genieße dein Opfer mit allen Sinnen, denn sie haben soviel mehr zu bieten, als das Blut.“ Er deutete auf zwei junge Frauen, die für einen Abend in den Clubs gestylt waren. „Lass uns schauen, ob die beiden Interesse an einer Begleitung haben.“
Warren folgte zögernd, überließ ihm das Reden und musterte verstohlen die Dunkelhaarige, während Steven mit ihrer blonden Begleiterin flirtete. Sie waren allein unterwegs und hatten nichts dagegen, einen netten Abend in gutaussehender Gesellschaft zu verbringen. Steven zwinkerte Warren zu und führte ihn telepatisch.
„Atme ihren Duft, lass dich davon berauschen und blende das Blut erst mal aus. Sieh sie dir genau an, denn mit den Augen eines Vampirs siehst du viel mehr, ist ihre Schönheit eine ganz andere. Gib dich den Küssen hin, sie werden sich ganz sicher küssen lassen, und genieße ihren Geschmack. Dein Dämon hat mehr Gelüste als nur den Hunger. Stille sie alle, dann behältst du die Zügel in der Hand.“
Er wusste, es klang für Warren erst mal furchtbar kompliziert. Darum beobachtete er ihn genau, um eingreifen zu können, falls der Blutdämon doch zu schnell vorpreschte. Mel hätte das bei der ersten Jagd schon tun sollen, doch sie war auch noch ein recht junger Vampir, zu ungeübt, um einen Neugeborenen zu lehren.
Warren beherzigte die Ratschläge, lernte schnell und gewann an Sicherheit. Er genoss es, die Dame an seiner Seite mit allen Sinnen zu erleben, seine Anspannung fiel ab. Als sie die Mädchen in den frühen Morgenstunden wieder nach Hause brachten und jeder mit seiner Auserwählten noch eine Weile in den Schatten eines Hauseingangs verschwand, wusste Steven, dass Warren keine Probleme haben würde, sich nach dem kleinen Trunk zurückzuziehen und den Nebel des Vergessens um die Erinnerung der Dunkelhaarigen zu weben.
Unbeschadet verabschiedeten sich die Frauen schließlich und betraten ihre gemeinsame Wohnung, während Steven sich mit Warren wieder auf den Heimweg nach Gorlem Manor machte.
„Danke“, sagte Warren.
„Wofür? Es jagt sich netter in Gesellschaft.“ Er knuffte ihn in die Seite, was Warren mit einem Lachen und einer halbherzigen Abwehr quittierte. „Jetzt sag schon, ich bin doch gar kein so übler Typ“, stichelte Steven.
„Schon gut. Nein, bist du nicht. Tut mir leid.“
„Ach, ich glaube, ich wäre auch ziemlich angepisst, wenn sich ausgerechnet der Lover meiner Angebeteten bei mir einschleimen wollte.“
Verlegene Röte überzog Warrens Gesicht. „Mel hat nie diese Art von Interesse an mir gehabt. Das hat mit dir nichts zu tun.“
„Schon klar, aber weh tut’s trotzdem.“
Warren antwortete nicht, was er auch nicht musste. Wichtig war, dass er bis Mel zurück kam weiter an Sicherheit gewann, dann hatte er eine Chance, die Ewigkeit zu überstehen.
„Darius“, sagte Anakahn und dem Klang seiner Stimme war nicht zu entnehmen, ob er wütend, belustigt oder enttäuscht war, oder ob er nur registrierte, wer ihn letztlich verraten hatte.
Saphyro hatte
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