Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
trinken.“
Als sich keiner von uns rührte, schaute er erstaunt in die Runde. Es war so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Alles hielt den Atem an.
Sollten wir es wirklich tun?
Sollten wir es wirklich riskieren?
Keiner wusste, ob die Legende stimmte.
Und noch weniger wussten wir, ob sie sich auf Arante und Jenny bezog.
Wir riskierten viel.
Vielleicht für nichts. Und vielleicht würden wir alles sogar noch viel schlimmer machen. Dem Dämon noch mehr Macht verleihen, wenn wir ihm die Magie des Vampirs gaben.
Steven löste sich als Erster aus seiner Starre. Entschlossen trat er vor und löste den Knebel. Er und Arante sahen sich an und beide nickten.
„Melissa“, sprach mich Steven an, und auch ich fand meine Beherrschung wieder. „Ihr Arm.“
Natürlich. Arante musste zuerst von ihr trinken. Jemand musste ihren Arm von dem Riemen befreien, ihn aber auch festhalten, damit sie sich nicht zur Wehr setzte. Franklin kam dafür nicht in Frage. Anakahn wendete sich ab. Lucien beobachtete alles nur interessiert und Saphyro hielt sich vornehm zurück. Arante würde ihr keine Gewalt zufügen. So weit würde er nicht gehen. Also lag es an Steven und mir. Ich trat heran.
„Wagt es nicht“, fauchte Jenny, doch zu mehr fehlte ihr dank der Droge die Kraft.
Ich betete darum, dass sie keine Auswirkung auf Arante hatte, sonst gnade uns allen die Göttin vor Anakahns Zorn.
„Vergib mir, mein Liebes“, hauchte ich, löste schnell die Fessel und packte ihren Arm dann so fest, dass sie ihn nicht mehr bewegen konnte.
Arante kniete nieder und senkte ohne Zögern seine Zähne in den Puls an ihrem Handgelenk. Er trank zögerlich. Weil es das erste Mal war, dass er nicht von Anakahn trank, sondern von einem Menschen. Doch als die rote Flut warm und süß durch seine Kehle rann, verlor er die Zurückhaltung. Ein verbotenes Vergnügen, dem er sich verzückt hingab.
Angeekelt verließ Anakahn den Raum. Es würde nie wieder so sein, wie zuvor. Falls er Arante überhaupt noch in seiner Nähe haben wollte. Es tat mir leid, aber Jenny stand mir näher, war mir wichtiger. Von dem Rest ganz zu schweigen. Das Kind in ihr durfte nicht überleben und wenn wir es so verhindern und damit Schaden in unabschätzbarem Ausmaß abwenden konnten – ohne Jenny zu töten – war es mir dieses Opfer wert.
Ich beobachtete mit leichtem Erschauern, wie Arante von ihr trank und wie der Ausdruck von Leidenschaft und Verlangen in sein Gesicht trat, die Zeitlosigkeit und Jugend verdrängte, bis in seinen Augen dasselbe schimmerte, wie in unser aller Augen. Er musste sich zwingen, sie wieder freizugeben. Aber er besaß die Selbstbeherrschung. Das Blut hatte sein Gesicht erhitzt und hing leuchtend rot an seinen Lippen. Die Wunden in Jennys Handgelenk schlossen sich wieder, als er einen Kuss darauf hauchte, vermischt mit seinem Blut.
Ich schnallte den Arm wieder fest, obwohl das kaum noch nötig war. Sie befand sich jetzt irgendwo zwischen Leben und Tod. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn, ihr Körper zitterte. Der Atem ging flach und langsam, auch der Puls an ihrem Hals schlug nur noch gelegentlich.
Uns blieb nicht viel Zeit.
Steven zwang ihren Mund auf und Arante schnitt sich mit dem Daumennagel in die Pulsadern. Das Blut rann schnell. Ich sah jedem Tropfen zu, wie er auf ihre Lippen fiel, in ihren Mund. Erst reagierte sie nicht, doch dann zuckten ihre Gesichtsmuskeln und ihre Zunge leckte die Flüssigkeit auf. Arante drückte ihr die Wunde gegen den Mund und ließ sie trinken. Es bereitete ihm Schmerzen, womit er nicht gerechnet hatte. Dennoch ertrug er es und zog seinen Arm nicht eher zurück, als bis ihr Saugen schließlichnachließ und sie in tiefen Schlaf versank.
„Ich habe getan, was laut euren Worten nötig war. Jetzt liegt es nicht länger in meiner Macht, nicht wahr?“, fragte er und als Steven es bejahte, verließ er wortlos den Raum, folgte Anakahn ohne einen weiteren Blick zurück zu werfen.
Jenny lag jetzt wie schlafend da. Ich begann, die Lederriemen zu lösen. Niemand hielt mich auf, obwohl wir noch nicht wissen konnten, wie sie sich verhielt, sobald sie erwachte. Ich nahm sie auf die Arme und trug sie hinunter in die Kellergewölbe, legte sie dort auf das Bett in meiner Schlafkammer und deckte sie behutsam zu. Steven war mir gefolgt. Ich spürte seine Anwesenheit, drehte mich aber nicht zu ihm um. Stattdessen streichelte ich Jenny zärtlich das Gesicht und glättete ihr weiches, blondes
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