Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
längst in den eisigen Klauen hielt, wie ein schleichendes Gift in jede Zelle seines Körpers kroch und ihm die Sinne vernebelte.
Was heute Nacht geschehen war, konnte sich jederzeit wiederholen. Mit einem Fremden in den Straßen oder gar mit Franklin oder einem anderen Ashera-Mitglied. Er musste handeln, ehe es zu spät war. Für seinen Seelenfrieden und die Sicherheit derer, die ihm am Herzen lagen.
Eine tiefe Ruhe überkam ihn bei diesen Gedanken, die Verzweiflung fiel von ihm ab. Er lauschte seinem Herzschlag, dem Rhythmus des Blutes in seinen Adern. Den Tod hatte er nie gefürchtet, eher allein zu sein, wenn es soweit war, doch jetzt zog er die Einsamkeit sogar vor. Wollte auch Steven nicht bitten, das gegebene Versprechen einzulösen, zweifelte sogar, ob er es wirklich getan hätte.
Seine innere Uhr sagte ihm, dass Sonnenaufgang nicht mehr fern war, er wählte eine Stelle zwischen den Eichen, mit genug Abstand zu den umgebenden Bäumen, drehte das Gesicht nach Osten und schloss die Augen.
Ein leichter Wind zauste sein Haar, strich zärtlich über sein Gesicht. Er stellte sich vor, dass es Mels Hände waren, die ihn trösteten. Und dann Dracons Lippen, die ihn liebevoll küssten.
Mit dem ersten Streifen Licht am Horizont, der rot durch seine Lider schimmerte, fühlte er Wärme in seinem toten Herzen, die stetig zunahm. Es war gar nicht so schlimm. Kaum Schmerzen, eher ein angenehmes Prickeln. Warren atmete tief und gleichmäßig, ergab sich dem Frieden, der sich zusammen mit den Strahlen der Morgensonne seiner Seele bemächtigte und ihn erlöste.
So stehe denn in meiner Schuld
Lucien wanderte wie ein Tiger in seinem Gefängnis umher, schlug zornig gegen die Wände und brüllte den beiden Ghanagoul-Wächtern vor der Zelle Flüche entgegen, aber natürlich brachte das rein gar nichts. Er hatte sich einfangen lassen wie ein streunender Hund. Seine Wut über den eigenen Leichtsinn heizte den kleinen Raum mittlerweile auf. Was hatte Kaliste mit ihm vor? War sie ihm tatsächlich auf die Schliche gekommen? Nein, das sicher nicht, sonst wäre er längst nicht mehr am Leben. Aber irgendeinen Grund musste es haben, warum man ihn hierher gebracht hatte. Aus diesen hirnlosen Dämonen da draußen war kein Wort herauszubekommen, und die Königin ließ sich nicht blicken. Auch seine Sinne waren noch immer eingeschränkt, er konnte von hier aus zu keinem anderen Vampir Verbindung aufnehmen. Und die erste Erfahrung mit dem Geschmack der Würmer war das Widerlichste in seinem Leben gewesen, weshalb er sie kurzerhand aus der Zelle hinausbefördert hatte. Die Verätzungen, die ihr Sekret in seinem Mund und an seinen Händen verursacht hatte, waren inzwischen wieder abgeklungen, der Geschmack nach schimmeligem Käse und sauerer Milch jedoch nicht, also ging er dazu über, es zu ignorieren und sich mit wichtigeren Dingen zu beschäftigen.
Sicher hatte Kaliste bemerkt, wie Steven und Mel den angeblichen Fluch außer Kraft setzten, doch sie stellte deshalb doch keine Parallele zu ihm her. Er hatte sich eingemischt, aber auch nicht mehr als üblich. Und er hatte Melissa nicht extra darin bestärkt, dass Kaliste etwas mit Sylion und Darkworld zu tun hatte, auch wenn er es nicht abstritt. Reichte das, um ihn hier einsperren zu lassen? Ja, stellte er verbittert fest. Das reichte vollkommen. Wütend rüttelte er noch einmal am Gitter, stieß sich dann davon ab und warf sich auf das unbequeme Lager, das man ihm in der Zelle bereitet hatte. Er starrte zur Decke und dachte nach. Bislang war es ihm stets gelungen, einen Weg zu finden, um sich aus Schwierigkeiten herauszuwinden. Warum sollte das diesmal anders sein? Er musste nur Ruhe bewahren und seinen Verstand gebrauchen, statt sich in unsinnigen Zorn hineinzusteigern, der seinen Geist lähmte.
Falls Kaliste auftauchte, konnte er sie mit Worten umgarnen, aber dazu musste sie erst mal kommen. Wie schmeichelte man sich am besten ein, um schnell wieder freigelassen zu werden? Indem er sich demütig zeigte, reuevoll, ihr seine Dienste anbot, auch um Melissa besser zu kontrollieren. Zu ihm hatte sie Vertrauen, zu Kaliste keineswegs. Er konnte also ein Verbündeter für sie werden, zumindest so tun und sie in Sicherheit wiegen.
Der Haken bei der Sache war, dass der Plan mit Darkworld direkt bevorstand und egal, wie er es drehte und wendete, dabei würde er ihr keinesfalls helfen. Dieses Tor zu öffnen war so ziemlich das Letzte, was er wollte. Ganz im Gegenteil, er hoffte, es zu
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