Ruf des Blutes 4 - Unschuldsblut (German Edition)
veränderte sich. Die andere Jenny drängte mehr und mehr hinein, beobachtete sie vom Spiegel aus, streichelte sich selbst dabei und stöhnte wollüstig. So bekamen auch die zärtlichen Stunden mit Josh einen bitteren Geschmack, bis sie diese Augenblicke ebenso fürchtete, wie ersehnte.
Aber Josh fand es nur allzu natürlich, dass auch ihre Schwester einen Anteil haben wollte. Und wer wusste besser als Jenny, wie quälend eine solche Sehnsucht werden konnte, wenn sie unerfüllt blieb?
Manchmal fragte sich Jenny sogar, wer von ihnen mit Josh wirklich im Bett lag und wer vom Spiegel aus zusah. Ihre Wahrnehmung verschob sich immer mehr. Doch er fing sie immer wieder ein mit seiner Zärtlichkeit und dem berauschenden Gefühl der Lust, das er ihr bescherte. Auch die andere Jenny konnte zuweilen nett sein und unterhaltsam. Sie kannte alle von Jennys Geheimnissen, teilte im Gegenzug ihre eigenen mit ihr.
„Wir sind Schwestern. Wir dürfen uns doch nicht im Stich lassen, nicht wahr?“
Fröstelnd rieb sich Jenny über die Arme und schielte mit einem dicken Knoten im Magen zum Spiegel hinüber, vom dem ein leiser Singsang zu ihr drang. Sie nahm ein Scheit Holz und legte ihn aufs Feuer. Sofort leckten die Flammen mit gierigen Zungen daran und fraßen sich hinein. Jenny blieb daneben hocken und beobachtete das Schauspiel. Feuer – ihr Gefährte – ihre Gabe. Die Hitze so nah an der Feuerstelle war fast unerträglich, doch die unbarmherzige Kälte kroch tiefer und tiefer in ihre Glieder, als wolle sie vor der Hitze fliehen und in ihr Zuflucht suchen. Schützend legte sie die Arme um ihren Bauch. Sie musste mit Mel reden. Und zwar bald. Wer, wenn nicht sie, konnte ihr jetzt noch helfen? Hoffentlich kam sie bald wieder zurück. Sie hatte doch solche Angst, und niemandem hier vertraute sie so sehr wie Mel. Die Überlegung, es Franklin zu erzählen, schob sie beiseite, weil sie sich schämte und auch Angst hatte, wie er reagierte, wenn sie sich mit einem Wesen aus der Schattenwelt eingelassen hatte. Mel würde eine Lösung wissen. Ihr fiel immer etwas ein.
Kaliste war außer sich vor Wut. Was dachte dieses verdammte Gör sich eigentlich? Undankbares Biest. Sie hätte alles haben können. Schicksalskriegerin. Eine tote Schicksalskriegerin sollte sie bald sein. Dann hatte sich diese dämliche Legende endlich erledigt, die Mel zu einer ständigen Bedrohung für sie machte. Sie war jetzt schon viel zu weit gegangen. Das Blut war nicht mehr rein, Luciens Zögling schreckte einfach vor nichts zurück. Dass sie sogar ein tödliches Risiko einging, sich von den schlimmsten Folgen nicht abhalten ließ. Jahrtausendelang hatte der Fluch gewirkt. Jeder hatte daran geglaubt und Kalistes Machtanspruch war nie in Gefahr gewesen. Und jetzt, in einer einzigen Nacht, war all das dahin, wofür sie so lange gearbeitet und gekämpft hatte.
Eigentlich sollte Melissa nur den Schlüssel drehen und dann wieder ihrer Wege ziehen. Kaliste war wirklich geneigt gewesen, sie am Leben zu lassen, doch jetzt nicht mehr. Sobald das Tor nach Darkworld geöffnet war, würde sie sich selbst um diese rothaarige Hexe kümmern und sich ein persönliches Vergnügen daraus machen, sie langsam zu Tode zu quälen.
Daran war ihr Bruder schuld. Mit diesem einen Tropfen Blut. Und Lucien, dieser durchtriebene Bastard. Er ließ ihr die Zügel zu lang, spann seine eigenen Intrigen im Hintergrund. Das ahnte Kaliste schon lange.
Jetzt war das Unglück fast nicht mehr aufzuhalten, außer wenn sie die Wurzel allen Übels beseitigte. Melissa hätte niemals verwandelt werden dürfen. Alles Blut, das sie ihr gegeben hatte, reichte nicht aus, um sie zu binden und sich gefügig zu machen. Diese Frau war einfach zu menschlich und dennoch zu stark.
Wer mochte es gespürt haben? Armand ganz sicher, aber das kümmerte sie nicht. Lucien auch, weil er schon darauf vorbereitet gewesen war. Und ihr verhasster Bruder, denn den Tropfen Blut hatte er ihr damals nicht ohne Absicht gegeben. Der Rest mochte eine Veränderung wahrnehmen, doch die wenigsten konnten diese einordnen. Kaum einer dachte daran, dass sich die beiden Blutsdämonen vereint hatten. Der wirkliche Kampf hatte nur zwischen Melissa und diesem Vampir aus Tizians Linie stattgefunden, auf dessen Gedanken Kaliste keinen Zugriff hatte. Es war ihr eine Genugtuung, dass es zumindest für die beiden eine sehr schmerzhafte Erfahrung gewesen war. Doch sie lebten. Mit der Zeit sprach sich bestimmt herum, was sie getan hatten und
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