Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
zumindest ein Stück weit führen kann.“
Ich sah Raphael dankbar an. „Jede Hilfe ist willkommen.“
Raphael brach noch in derselben Nacht wieder auf. Er wollte mir nicht verraten, was er vorhatte, zwinkerte mir aber verschwörerisch zu und schien zuversichtlich.
Ich zog mich wieder in mein Versteck zurück, das außer Armand nur noch Alwynn und Franklin kannten. Je kleiner der Kreis, desto unwahrscheinlicher, dass es sich unabsichtlich herumsprach. Natürlich würde auch Lucien wissen, wo ich war. Er wusste es immer. Ob Dracon mich ebenfalls im Auge behielt, wusste ich nicht. Ich hatte ihn und Warren seit einer Weile nicht gesehen. Genauso wie Blue. Sollte ich mir darüber Gedanken machen?
Das vereinbarte Klopfzeichen erklang. Ich öffnete und fand Franklin vor der Tür. Er wirkte verstört, nahm mich in den Arm und drückte mich fest an sich. Ich spürte ihn zittern, seine Hände fühlten sich klamm an. Besorgt nahm ich ihm den Mantel ab und machte ihm einen Tee. Als er sich aufs Sofa setzte, musterte ich ihn grÜndlich. Über seinen Augen lag ein Schleier, wie er nur durch eines entstehen konnte: das mächtige Blut eines sehr alten Vampirs. Ich sog scharf die Luft ein, da hob er den Kopf und sah mich gequält an.
„Warum Mel?“, fragte er. „Warum nur? Erst Armand, dann du, dann Warren. Und jetzt auch noch Lucien.“
Mir drehte sich der Magen um. Schwer zu sagen, was überwog: das Mitleid mit meinem Vater oder der unbändige Zorn auf Lucien, dass er tatsächlich so weit gegangen war. Und das jetzt! Er wusste so gut wie jeder andere von uns, was los war. Warum musste er sich jetzt an meinen Vater ranmachen?
„Ich kann nicht mehr. Ich ertrage das nicht länger. Diese Abhängigkeit, diese Sucht. Bin ich wirklich so schwach?“
Ich wusste nicht, was ich ihm antworten sollte, verstand genau, was er meinte. Wortlos umarmte ich ihn, machte seine Qual zu der meinen. Ich kannte das Gefühl, weil ich selbst einmal so empfunden hatte. Damals, als ich noch sterblich war und erst Armand, dann Lemain, Dracon und schließlich Lucien mich benutzt hatten für ihre ganz eigenen Ränkespiele und Sehnsüchte. Der Unterschied zwischen mir und Franklin war so gering wie Nebelschwaden, die sich in Auflösung befanden. Ihn verband zu viel mit uns. Er stand uns zu nah. Wegen mir. Und er war einsam. Das machte ihn zur leichten Beute. Ich hätte mit Luciens Skrupellosigkeit rechnen müssen. Dass er in Franklins Herz lesen würde, was Armand ihm gab und was er ihm vorenthielt. Wie sehr mein Vater unter dem Altern litt und nach dem kleinen Trunk hungerte. Wir hatten es erlebt vor einem Jahr. War ich wirklich so naiv gewesen, zu glauben, mit Armands Rückkehr sei die Gefahr gebannt und Lucien würde sich zurückziehen?
Es gab jetzt noch mehr Seelenwunden, die meinen Vater quälten. Ich hatte es mit meinem Angebot, ihn mein Blut trinken zu lassen, obwohl ich um die Magie und Listigkeit des Blutdämons wusste, nur schlimmer gemacht. Es war nichts geschehen, doch das verdankten wir seiner Vernunft, nicht meiner. Ich war oft zu leichtsinnig. Und mit Warrens Schicksal hatte ich ihm einen weiteren Hieb beigebracht, der nicht aufhörte zu bluten und den ich wiederum aufgefrischt hatte, als ich zuließ, dass Warren nach Gorlem Manor zurückkehrte.
Ich stöhnte leise. So viele Fehler. Ich quälte meinen Vater nicht minder als mein Lord. Der stand wenigstens zu seinen Taten, während ich sie unter dem Deckmantel der Unwissenheit und des guten Willens ausführte.
Franklin blieb nicht lange. Er hatte nur eine Schulter zum Anlehnen gebraucht, jemanden, dem er das Geheimnis gestehen konnte, damit dessen Last leichter wurde. Ich hingegen fühlte mich schuldig. Nachdem er fort war, warf ich alle Gedanken an Gefahr über Bord. Nichts hielt mich mehr in der Wohnung, auch nicht das Bewusstsein, wie aufgebracht und besorgt Armand sein würde, wenn er zurückkam und mich nicht fand.
Das Erfreuliche an der Verbindung zwischen dem Lord und mir war, dass sie nicht nur in eine Richtung funktionierte.
Ich stürmte in Luciens Londoner Wohnung ohne Rücksicht auf irgendwelche Höflichkeiten. In meinem Bauch hatte ich eine Stinkwut, die kurz davorstand, zu eskalieren. Da pfiff ich auf Respekt vor meinem Lord. Jetzt war er eindeutig zu weit gegangen.
„Wie kannst du es wagen, mit meinem Vater zu schlafen?“, herrschte ich Lucien an, der mir amüsiert und unbeeindruckt entgegenblickte, als hätte er mich schon erwartet. Das Funkeln in seinen
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