Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
mich übermannt hatte, als sie draußen stand. Serena lächelte und obwohl es freundlich war, jagte es mir einen Schauder über den Rücken. Ich zweifelte nicht an ihrer Macht, dies zu tun. Und das Angebot war verlockend. Ein Menschenleben kümmerte mich nicht. Da hatte ich längst keine Skrupel mehr. Ob ich es im Trinken nehmen würde oder ob ich es ihr brächte, damit sie mich wieder sterblich machte. Da war kein wirklicher Unterschied. So oft hatte ich davon geträumt, wieder sterblich zu werden, ein normales Leben zu führen, keine Schicksalskriegerin mehr zu sein, die sich gegen unsere Königin stellen musste. Es dann aber weit fort geschoben, weil es diesen Weg nicht gab und mir solche Gedanken daher unsinnig erschienen. Jetzt lag die Wahl urplötzlich zum Greifen nah, praktisch schon in meinen Händen. Wenn ich wollte, konnte ich morgen ein ganz normaler Mensch sein.
Würde das etwas ändern?
Wären die Lux Sangui nicht länger hinter mir her? Oder erst recht, weil ich ein Forschungsobjekt darstellte. Der erste Dämon, der wieder menschlich wurde.
Könnte ich wieder für den Orden arbeiten?
Wie würde der Untergrund reagieren?
Und Kaliste! Stellte ich dann keine Gefahr mehr für sie dar? Nahm ich auch Tizian seine Hoffnungen, wenn ich mich für die Sterblichkeit entschied?
Serena sprach nur von mir, nicht davon, es generell zu können. Gab es diesen Weg nur für mich und ich ließ meine Freunde zurück? Die Kluft, die dann zwischen Armand und mir liegen würde, stand mir deutlich vor Augen. Aber auf der anderen Seite auch die Nähe, die es mir zu Franklin brachte.
Und während ich über all das nachdachte, was möglich wäre, wenn ich das Angebot annehmen und wieder Mensch sein wollte, wurde mir plötzlich bewusst … dass ich es nicht wollte.
Ich hatte meine Wahl getroffen und stand noch immer zu ihr. Im Guten wie im Schlechten. Ich liebte Armand. Und ich lief auf keinen Fall vor meinem Schicksal davon, wenn dies wahrhaftig darin bestand, Kaliste aufzuhalten.
Die Würfel fielen in dieser Sekunde. Endgültig.
Serena schaute mich immer noch an und wartete auf meine Antwort. Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich Margrets Bosheit in ihren Augen aufblitzen, zuckte zusammen, doch es war so schnell vorüber, wie es gekommen war. Nein, sie war zwar Margrets Tochter, doch ihre Seele hatte nichts mit der Hohepriesterin gemein. Ich straffte mich.
„Ich danke dir für dein Angebot, Serena, doch ich muss es ablehnen. Einmal Dämon, immer Dämon. Ein Herz vergisst nicht, was ich getan habe. Und als Mensch könnte ich das niemals ertragen.“
Sie nickte. Offenbar hatte sie nichts anderes erwartet. Es war dieselbe Antwort, die sie an meiner Stelle auch gegeben hätte. „Dann lass mich dir mit auf den Weg geben, was ich gesehen habe. Vielleicht hilft es dir. Du wirst jemanden verlieren, den du liebst.“
Mir wurde übel. Armand! Ich hatte ihn schon einmal fast verloren, das wollte ich kein zweites Mal durchmachen. Und damals hatte ich noch geglaubt, er hätte mich verlassen. Wenn er wirklich in der Festung ohne Wiederkehr gestorben wäre … ich wollte gar nicht darüber nachdenken. Wir waren uns näher als je zuvor. Diesmal würde es mich umbringen, das wusste ich. Doch Serena war noch nicht fertig
„Außerdem musst du jemandem vertrauen, den du kaum kennst. Du wirst deinem Schicksal begegnen und du wirst erfahren, wer dich wirklich liebt. Doch am Ende wirst du nicht mehr du selbst sein und einsamer als je zuvor. Einsamer vielleicht, als du es dir heute vorstellen kannst.“ Sie streckte ihre Hand aus und strich mir über die Wange. Tränen sammelten sich in ihren Augen und liefen dann über ihr entstelltes Gesicht. „Es tut mir so leid, Missa. Ich bete zur Göttin, dass ich mich irre. Dass es nur wirre Träume waren und nicht die Wahrheit.“
Ich legte meine Hand auf ihre, senkte die Lider und flüsterte leise: „Wir wissen beide, Serena, dass dieses Gebet nicht erhört wird. Doch es ist gut so, wie es ist. Ich habe keine Angst vor meinem Schicksal.“
Wenn ich nur Armand nicht verlöre.
Es war das erste Mal, dass Armand Blue in seiner Wohnung aufsuchte. Er hätte es auch jetzt nicht getan, doch zum einen musste er eine Stunde überbrücken und die Zeit lohnte nicht, um zu Alwynn zu gehen. Zum anderen machte er sich Sorgen, weil Blue seit Tagen kein Lebenszeichen vermeldete.
Als er vor dem Haupteingang stand und überlegte, welche von den namenlosen Klingeln zu Blues Wohnung gehörte,
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