Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
höchsten Autoritätsstufe, sodass niemand außer dem Magister Zugriff darauf hatte. Dort wurden chronologisch alle Daten und Aktivitäten dokumentiert und gespeichert, um jederzeit abrufbar zu sein. Vielleicht sogar Berichte über Unzulänglichkeiten und Fehltritte, die man wieder hervorholen konnte, wenn es galt, jemandem den Prozess zu machen und ihn aus dem Verkehr zu ziehen.
Gut, wenn man einen der besten Hacker der Welt zum Geliebten hatte. Armand loggte sich in unser System ein und spielte ein Programm auf, dass jegliche Aktion und Transaktion, die von überall auf der Welt vorgenommen wurde, registrierte und verfolgte. Es brauchte seine Zeit, allein drei Wochen, bis er das Programm komplett installiert hatte, da er mehrmals abbrechen musste, wenn ihm jemand im Netzwerk zu nahe kam. Doch schließlich hatte er es überspielt und wir mussten nur noch warten, bis jemand auf den verborgenen Ordner des Magisters zugriff.
Es erfüllte seinen Zweck und in diesem Fall war ich gänzlich skrupellos und mir jedes Mittel Recht, um diese verhasste Instanz, die den Tod meiner Mutter in Kauf genommen, ja sogar zum Wohl der Gemeinschaft befohlen hatte, auszulöschen. Die Ben für Jahre in diesem Bunker einsperrte, völlig abgeschnitten von der Außenwelt und jeglichen sozialen Kontakten, was dem Geist eines Menschen unsagbar zusetzte. Die mich lieber tot als lebendig sehen wollte und auf meinen Vater einen schier unerträglichen Druck aufbaute, seit ich in die Nacht geboren war. Die unzählige Unschuldige auf dem Gewissen hatte unter dem Deckmantel, dass es der Gemeinschaft diene, in Wahrheit aber lediglich, weil sie jemandem persönlich unbequem geworden oder zu nahe an das Magister herangekommen waren.
Ein paar Wochen geschah nichts. Mich quälten Gewissensbisse, weil ich wusste, dass ich die Konfrontation mit Kaliste nicht allzu lange aufschieben durfte. Jeden Tag bangte ich, dass uns wieder die Nachricht vom Tod eines Vampirs aus Tizians Linie erreichte, doch es blieb alles ruhig. Nicht einmal die Aufräumkommandos in den PSI-Clubstraten mehr in Erscheinung, und auch die Attentate blieben aus. Armand merkte, wie sehr die Warterei an meinen Nerven zerrte.
„Und wenn du dich zuerst um Kaliste kümmerst?“, fragte er mit sorgenvollem Blick. Keine Frage, er litt mit mir.
„Das geht nicht. Du weißt so gut wie ich, dass das Risiko groß ist, ihr zu unterliegen. Wenn ich bei diesem Kampf sterbe, will ich es wenigstens mit dem Wissen tun, dass es kein Magister mehr gibt, das noch irgendjemandem schaden kann oder seine Intrigen spinnt. Ich will meine Freunde und meinen Vater in Sicherheit wissen. Darum kann ich es nicht aufschieben, bis ich zurückkehre. Vielleicht kehre ich nicht zurück.“
Er senkte den Blick. Wir wussten es beide und hatten die stumme Übereinkunft getroffen, es zu akzeptieren und nicht damit zu hadern. Ja, noch nicht einmal darüber zu reden. Dennoch bedrückte es ihn. Mich ebenso, denn eines war mir klar: Wenn ich starb, würde er mir folgen. Ohne mich gab es auch für ihn kein Weiterleben mehr, wenn er die Liebe seines Lebens zum zweiten Mal verlor.
Es rührte mich zu Tränen, dass er einerseits bereit war, sein Leben für mich zu geben, auf der anderen Seite sogar, es wegzuwerfen und seine Seele allen Höllen preiszugeben, weil er ein Leben ohne mich nicht ertrug. Wie sehr musste ein Herz lieben, wenn es bereit war, sich selbst den Todesstoß zu versetzen?
„Es ist meine Schuld, dass es so weit gekommen ist“, sagte er gedankenverloren, während er mich im Arm hielt und mir übers Haar strich. „Aus Selbstsucht verhinderte ich deinen Tod und fühlte mich im Recht, weil ich mir einbildete, dass du einzig dafür geboren wurdest, mir wiederzugeben, was ich verlor. Vom ersten Moment, als ich dich sah, wusste ich, du sollst mir gehören, mir allein. Damit gab ich dich einem Schicksal preis, das nun vielleicht erst recht deinen Tod fordert. Wenn ich dich deshalb verliere, so bereue ich es nur um deinetwillen. Ich habe es nicht anders verdient, als daran zu zerbrechen, dass meine Gier dein Leben zerstörte.“
Ich biss mir auf die Lippen bei diesen Worten, nahm sein Gesicht in meine Hände und zwang ihn, mich anzusehen. „So darfst du nicht denken. Das stimmt nicht, und du weißt es. Die Wahl traf ich allein. Und ich bereue nichts.“
Mein Kuss sollte sanft sein, doch Armand erwiderte ihn mit der Heftigkeit eines Verzweifelten. Verbrannte mich mit seinem Begehren und ich ergab mich in dieses
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