Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
kommen“, riet Blue.
„Halten Sie mich für blöd?“
Blue antwortete nicht, zuckte nur die Schultern und grinste.
„Ich finde es nicht besonders klug, dass der Taxifahrer weiß, wo ich untergebracht bin. Er könnte ein Spitzel sein.“
Er musste an sich halten, um den Gestaltwandler nicht zu schütteln. Der litt echt unter Paranoia. „Klar, London steckt voller Spitzel, die nur drauf gewartet haben, dass wir beide aufkreuzen.“ Er kniff die Augen zusammen. „Wovor haben Sie eigentlich so viel Schiss? Der Untergrund ist nicht hinter Ihnen her, Kaliste hat auch einen Nutzen durch Sie, der Orden beschützt Sie. Also woher die Panik? Nur wegen einer kleinen Rothaarigen?“
„Sie haben doch keine Ahnung.“
Da mochte er recht haben, und Blue hätte nichts dagegen gehabt, wenn sich das ändern würde. Doch zwischen Melissa Ravenwood und ihnen lag jetzt der große Teich. Was war so Besonderes an dieser Frau? Außer, dass sie ein Vampir war, natürlich.
„Hey Mann, wir sind Touristen. Die lassen sich in ihr Hotel fahren. Weder ungewöhnlich noch verdächtig. Und das Taxi hab ich völlig wahllos am Flughafen gemietet. Der ist ja nicht auf uns zugestürmt. Jetzt entspannen Sie sich mal. Im Wetterbericht für morgen steht was von Sonnenschein, dann schauen Sie sich einfach ein bisschen die Stadt an. Das bringt Sie auf andere Gedanken. Hier sind Sie in Sicherheit und niemand weiß, wie Sie aussehen.“
„Außer Ihnen.“
„Meine Lippen sind versiegelt“, gab er zuckersüß zurück. Dieser Job war echt zum Kotzen. Wieso hatte er sich eigentlich darauf eingelassen, Kindermädchen zu spielen? Ach ja, weil er gedacht hatte, das sei einfacher, als Dämonen zu killen. Schwerer Irrtum. Passierte ihm kein zweites Mal. Und der Kerl sollte von Sylion ausgesucht worden sein, um bei der Öffnung von Darkworld mitzuhelfen? Schwer zu glauben, wo er sich vor seinem eigenen Schatten erschreckte. Er hatte bisher gedacht, für so ein Komplott müsste man abgebrüht und cool sein. Jemand wie er eben. Nicht so eine Witzfigur wie Cyron Gowl. Sollte der wirklich mal so überheblich und selbstgefällig gewesen sein, wie Rybing erzählte, musste er ein heftiges Trauma durchlebt haben, um sich in einen solchen Jammerlappen zu verwandeln.
Während er Cyron die Koffer bewachen ließ, holte er den Zimmerschlüssel von der Rezeption.
„Ich hoffe doch sehr, wir teilen uns kein Zimmer.“
Darin zumindest konnte er ihn beruhigen. „Ich hab früher hier gelebt. Hab genug Anlaufpunkte. Im Gegensatz zu Ihnen muss ich mich nicht verstecken. Sie haben die Suite also ganz für sich.“
Lange wollte er sowieso nicht bleiben, da er noch zu einem Treffen mit Rybing musste, der plante, ihn in Gorlem Manor vorzustellen. Blue war schon gespannt auf Franklin Smithers. Und vielleicht auch demnächst auf ein Wiedersehen mit der Rothaarigen, die sicher momentan nicht gut auf ihn zu sprechen war. Konnte er ja nicht ahnen, wen er da vor sich hatte, so kopflos, wie die Lady hinter Cyron hergeschossen war. Nach Rybings Offenbarung und der Tatsache, dass sie Luciens Schützling war, hatte er sich über Melissa Ravenwood informiert. Er musste gestehen, dass er von ihr angetan war. Durchaus denkbar, dass Lucien recht hatte und sie zum Zünglein an der Waage im Geschwisterstreit der Vampire wurde. Irgendwie schon irre, dass die Schwester nicht mit ihrem Bruder konnte. Kam zwar in den besten Familien vor, aber die Welt sollte groß genug sein für zwei Blutlinien. Allerdings musste er zugeben, dass die Lady so ihre Tücken hatte. Er war auf der Hut.
Auf dass die Dunkelheit erwacht
N ach dem Besuch der Sixtinischen Kapelle hatte sich das Verhältnis zwischen Dracon und seinem dunklen Sohn verändert. Er war noch immer gekränkt, wie Warren über ihn dachte. Außerdem fragte er sich mehr denn je, ob Mel ihn auch so sah. Möglich, dass Warrens Gedanken daher rührten, denn sie hatte ihn sicher gewarnt und ein bestimmtes Bild von ihm gemalt. Es ärgerte ihn – in mehrfacher Hinsicht.
Einerseits wollte er nicht, dass sie ihn so sah. Andererseits wollte er aber auch nicht, dass er plötzlich ein Gewissenbekam und verweichlichte. Für ihn war klar, dass ein Vampir böse, listig und ohne Mitleid handelte. Seine Intelligenz darauf verwendete, seine Opfer zu umgarnen und zu täuschen, sich an ihrer Angst und ihrem Schmerz weidete. So hielt er es seit seiner Geburt in die Dunkelheit. Einiges hatte Lucien ihm vorgelebt, mit seinem Sadismus jedoch beabsichtigte
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