Ruf des Blutes 5 - Erbin der Nacht (German Edition)
Schreie, die bald ohnehin nur noch ein Gurgeln waren. Nahm die Studentin nur noch als Beute war, die seine Lust und seinen Hunger gleichermaßen stillen sollte.
Dracon hingegen sah die von Tränen verschmierte Wimperntusche auf ihren Wangen, die Todesangst in den weit aufgerissenen Augen. Er hörte ihren rasenden Puls, ohne dass dieser seinen Hunger entfachte, den rasselnden Atem, der kaum noch genug Luft in ihre Lungen pumpte, und empfand Mitleid.
„Hör auf!“, fuhr er Warren an und rammte ihm beide Hände vor die Brust, dass er nach hinten fiel.
Unverständnis malte sich auf dessen Miene, vermischt mit der blinden Gier des Blutrausches. Dracon zitterte, war erschrocken über sich selbst. Er warf einen Blick auf das Mädchen, ihr Brustkorb regte sich nicht mehr. „Sie ist tot!“
Warren kam langsam wieder zu sich. „Hab ich … hab ich etwas falsch gemacht?“
Seine Unsicherheit bereitete ihm Übelkeit. „Nein“, presste er hervor. Es war ihm egal, ob Warren ihm glaubteoder nicht.
Wortlos schaffte er die Leiche fort und kehrte dann in ihre Wohnung zurück. Warren folgte ihm widerspruchslos.
„Pack zusammen, was du mitnehmen willst, wir verschwinden von hier.“
„Warum?“
„Wir gehen nach London. Es ist Zeit, heimzukehren.“
Der Besuch von Donald Rybing mit seinem Begleiter kam nicht überraschend, war aber unbequem. Franklin wünschte, er könnte sich verleugnen lassen. Stattdessen ließ er die beiden Männer von Maurice in sein Arbeitszimmer bringen.
„Gib mir Bescheid, wenn unser neuer Mitarbeiter ankommt. Dann habe ich einen Grund, Rybing hinauszukomplimentieren.“
Bei der ersten Begegnung mit dem Kontaktmann hob Franklin überrascht die Augenbrauen. Zwar war ihm bewusst, dass sich die Lux Sangui tarnten, doch dieser Mann sah nicht so aus, als würde er üblicherweise in feinen Anzügen herumlaufen. Seine Kleidung, Haltung und Statur passten zueinander, so wie sie waren. Er machte einen durch und durch authentischen Eindruck auf ihn. Auffallend war, dass er von Rybing offenbar nicht viel hielt. Einem Waffenmeister der Lux Sangui brachten dessen Mitglieder Respekt entgegen. Bei ihm war davon nichts zu sehen. Er machte es sich im Stuhl bequem, schlug lässig ein Bein über das andere, was Donald mit einem missbilligenden Blick quittierte, der unbeachtet blieb.
„Nun, Sie hatten mir Ihren Besuch bereits angekündigt. Blue nehme ich an?“
Er reichte dem Mann die Hand – ein kräftiger Händedruck, der eine energische Natur und Beharrlichkeit verriet. Zu gern hätte er ihn gebeten, in den Element-Sesseln Platz zu nehmen, doch in Gegenwart des älteren Sangui war das undenkbar.
„Wir haben Cyron Gowl in einem sicheren Quartier untergebracht. Ich hoffe, es ist auch noch sicher, nachdem ich Sie davon in Kenntnis gesetzt habe.“
Franklin ließ sich nicht provozieren. „Ich werde diese Information höchst vertraulich behandeln. Allerdings muss ich darauf bestehen, dass auch entsprechende Vorkehrungen Ihrerseits getroffen werden, damit Ihr ‚Freund’ hier keinen Ärger verursacht. London ist bislang relativ ruhig, und ich wäre froh, wenn das so bliebe.“
„Aber mein lieber Franklin. Sie tun ja so, als hinge das allein von Cyron ab.“
Er lächelte, denn sie wussten beide, dass dieser Gedanke nicht von ungefähr kam. „Cyron hat Kontakte nach ganz oben im Untergrund, das sagten Sie selbst. Und er lebt seit mehreren Jahren in Miami, wo – wie wir wissen – der Unruheherd am größten ist.“
Rybing gab sich unbeeindruckt. „Faktisch stimmt das. Doch das können Sie genauso gut auf andere Individuen beziehen. Lebt dort nicht auch einer der Vampirlords? Unantastbar, wer weiß, wie lange noch.“
Sein gespieltes Lachen verhieß nichts Gutes, doch Lucien war schlau. Um ihn machte sich Franklin keine Sorgen. Interessanter war die Reaktion von Rybings Begleiter, der Lucien offenbar zu kennen schien. Franklin war geübt darin, Leute zu lesen. Ein Weiten der Pupillen, die Lippen öffneten sich leicht, ein kurzes Zucken der Finger. Ja, er war sicher, dass Blue Lucien zumindest kannte, und zwar nicht nur vom Hörensagen. Aber soweit er wusste, hatte der Lord mit dem Untergrund nicht viel am Hut. Vorgeblich – bei Lucien wusste man nie.
Rybings Blick wurde lauernd, denn ihm fiel Franklins Nachdenklichkeit auf, als das Thema auf Vampire kam. Auch wenn er es falsch deutete, lenkte dies das Gespräch in eine unangenehme Richtung.
„Ist Ihre bezaubernde Tochter noch in Miami,
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