Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
verhassten Emporkömmling gern eine Weile in Ruhe gelassen, damit er den Tod seines Vorgängers betrauern konnte. Hoffentlich quälte ihn die Angst, dass einer von ihnen auftauchen und ihm die Kehle durchschneiden könnte, in jeder einzelnen Minute.
„Wie weit sind unsere Gäste?“, wandte sich Domeniko an Marcia und schenkte Pharac keine weitere Beachtung. Seine Wunden lecken konnte der auch allein.
„Es sind bloß noch vier übrig. Der Rest hat sich als unqualifiziert erwiesen.“
Domeniko lachte. „Futter für die Truppen. Dazu taugen sie allemal.“
Auch Marcia grinste boshaft. „Noch ein paar Tage, dann haben wir das Netz fertig geknüpft. Ich rate dir dringend ab, vorschnell zu handeln. Wenn man uns zu früh entdeckt, könnte alles umsonst gewesen sein.“
Das ging ihm alles zu langsam, aber Domeniko wusste, er musste sich in Geduld üben. So lange hatte er seinen Plan vorbereitet, ihn Stück für Stück in die Tat umgesetzt. Jetzt waren seine Feinde erst einmal mit den Wölfen und der Midgard abgelenkt. Auch Fenris war seit der letzten Nacht auf Streifzug durch die Welt und hatte bereits deren wichtigste Politiker verschlungen. Die Regierungen gerieten in Aufruhr, kopflos, wie sie nun waren. Die Menschheit erschüttert von der Konfrontation mit Wesen, die sie seit Jahrhunderten erfolgreich verleugnete. Dabei war es erst der Anfang. Ein Appetithäppchen sozusagen. Aber groß genug, dass ihnen nicht auffiel, was hinter den Kulissen ihrer ach so heilen Welt passierte. Wenn er richtig losschlug, würde sie die Schockwelle, die er in Gang setzte, überrollen wie eine verheerende Flut, gegen die sie mit all ihren ehrenvollen Prinzipien machtlos waren. Er freute sich schon jetzt darauf.
Zeit, die nächste Runde einzuläuten.
Auf den Treppen zum Keller schlug Domeniko der liebliche Duft von Angst und Verzweiflung entgegen. Er hatte ganze Arbeit geleistet und die Lupins zu gefügigen Fähen gemacht, die ihm bedingungslos gehorchen würden. Das bedeutete eine beeindruckende Streitmacht, die in den Straßen wüten würde, sobald den Menschen ihre Wehrlosigkeit bewusst geworden
„Guten Abend, meine Schönen“, begrüßte er sie und erntete Gewinsel. Fast alle drückten sich an die hinterste Wand ihres Käfigs. Längst waren keine Fesseln mehr nötig, um sich ihres Gehorsams sicher zu sein, wenn er zu ihnen kam. Aber heute wollte er ihre Demut nicht. Im Gegenteil.
„Ihr werdet euch freuen.“ Seine Finger glitten über die Gitterstäbe, während er an jeder Zelle vorbeischritt und sie alle mit warnendem Blick bedachte. Domeniko kostete sein Gefühl der Macht aus, als sie sich auf den Boden niederdrückten, ihn nicht aus den Augen ließen. Vor der letzten Zelle blieb er stehen. Die Lupin, die sich am heftigsten gewehrt hatte. Ihre Wunden waren noch nicht gänzlich verheilt, dennoch trug sie ihren Kopf stolz erhoben. Einen Moment überlegte er, dann entschied er sich dagegen. Unnötig, sie erneut an den Gehorsam zu erinnern. Sie gehorchte bereits. Für ihre Stärke bewunderte er sie insgeheim. Wäre sie keine Lupin, sondern eine Lycanthropin, hätte sie seine Königin werden können.
„Ihr werdet heute alle freigelassen. Damit ihr eure Rudel herbeirufen könnt. Alle aus euren Familien. Auf der ganzen Welt. Lasst euer Lied mit dem Wind erklingen und ruft sie auf, sich bereit zu machen. Der Kampf ist nahe. Und ich brauche jede Einzelne von euch – von ihnen.“
Er betätigte einen Hebel und die Zellentüren sprangen auf. Keine der Wölfinnen wagte es, hinauszulaufen.
„Na los!“, fuhr er sie an. „Gehorcht!“
Mit eingekniffenem Schwanz huschte die erste aus ihrem Gefängnis, stob die Treppe hinauf und an einigen verdutzten Lycanern vorbei nach draußen. Domeniko lachte lauthals und schlug mit der flachen Hand auf die Außenwand des Zellenblocks. Winselnd sprangen drei weitere Wölfinnen hervor. Nur diese eine nicht. Sie stand in ihrem Käfig, starrte ihn mit glimmenden Augen an, wagte es sogar, das Nackenfell zu sträuben. Ihre Lefzen zuckten kaum merklich. Wollte sie ihn herausfordern? Doch dann überlegte sie es sich offenbar anders und folgte ihren Schwestern in die Nacht.
Während Armand durch die nächtlichen Straßen Londons wanderte, fiel es ihm schwer, sich vorzustellen, dass eine Bedrohung ungeahnten Ausmaßes über ihnen schwebte.
Alles schien wie immer. Taxis fuhren, junge Menschen waren auf dem Weg in die Disco oder ins Kino, die Stadt pulsierte vor Leben. Auch noch, als er sich
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