Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
den Randbezirken näherte. Nicht der Hauch von Furcht und Schrecken. Was man in den Nachrichten sah, war weit weg. Selbst der Tod von Hunderten Politikern und Journalisten durch eine unbekannte Bestie konnte dem nichts anhaben. Waren die Leute so abgestumpft? So gleichgültig? Lebten nur noch für den Moment, schoben Bedrohungen von sich. Ja, er wusste, dass es in den letzten Jahren schlimmer geworden war. Terror-Attentate, Krieg, Atomunfälle, Öl-Lecks, Tornados, Vulkanausbrüche, Erdbeben und Tsunami, verseuchte Lebensmittel und Killerviren waren an der Tagesordnung und verschwanden aus den Köpfen der Menschen, sowie sie den Knopf ihrer Fernbedienung betätigten. Es schockte bestenfalls für den Moment, nicht aber für lange. Man hatte keine Zeit, sich Sorgen zu machen. Manch einer dachte bei den aktuellen Nachrichten sogar, dass es den Politikern in ihrer Verlogenheit nicht unrecht geschah. Die Möglichkeit eines Wandels, wenn andere die Führung übernehmen mussten. Hoffnung auf weniger Korruption. Wie krank war doch die Welt. Und seinesgleichen bezeichnete man als Monster.
Er erreichte die Adresse, die Blue ihm per Handy mitgeteilt hatte. Warum er sich ausgerechnet hier mit ihm treffen wollte, auf einem stillgelegten Werksgelände abseits der Hauptstadt, wusste er nicht. Nur, dass es dem Dolmenwächter wichtig gewesen war, ihn heute noch dort zu treffen. Allein!
Armand konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass Blue immer Ärger brachte. Er vertraute ihm nicht, auch wenn er auf ihrer Seite zu stehen schien. Jedenfalls, solange es ebenso seine Seite war. Der attraktive Dolmenwächter mit der für seine Art unorthodoxen Lebensweise hatte genau das vor sieben Jahren gesagt, als Melissa ihn gefragt hatte, auf wessen Seite er stand.
Zu sagen, dass Armand ihn hasste, wäre übertrieben gewesen. Aber die Enttäuschung über seinen Verrat saß tief. Sie waren Freunde gewesen für kurze Zeit. Er hatte sogar geglaubt, gute Freunde. Die zwar noch Geheimnisse voreinander hüteten aufgrund der Kürze ihrer Bekanntschaft, aber nicht solch wichtige Punkte wie ihre wahre Natur. Armand war ein hohes Risiko eingegangen, indem er Blue Zutritt zum Paranormalen Untergrund verschaffte, damit er dort nach dem entflohenen Cyron Gowl suchen konnte. Was war der Dank? Nichts.
Am liebsten hätte er ihm einen Korb gegeben, aber das Risiko war zu groß, dass die Informationen wichtig waren, die Blue ihm angeblich mitteilen, aber vor Mel noch geheim halten wollte. Wozu? Das war ihre Bühne. Sie war von Corelus gerufen worden, er stand nur an ihrer Seite, wie er es immer tat. Glaubte Blue allen Ernstes, er würde Mel etwas verschweigen? Gerade jetzt?
„Ich sehe, du freust dich riesig, mich zu sehen“, flachste Blue, als Armand am Treffpunkt erschien.
„Warum nicht im Mutterhaus?“
„Zu viele Zeugen“, bekam er achselzuckend zur Antwort.
„Es betrifft sie alle.“
Blue hob eine Braue und grinste. „Ja, früher oder später wird es das. Aber im Augenblick bist du der Einzige, dem ich genug vertraue.“
Armand konnte sich ein bitteres Lachen nicht verkneifen. „Du redest von Vertrauen? Pah. Das soll wohl ein Witz sein. Du und Vertrauen. Das passt wie Jack the Ripper in eine Klosterschule.“
„Na, jetzt übertreibst du aber.“
„Ich habe dir vertraut“, zischte Armand, „dir geholfen, in den PU reinzukommen. Ich habe Mel in deine Hände gegeben. Die wichtigste Person in meinem Leben.“
„Ja“, antwortete Blue gedehnt. „Und ich denke, ich habe alles getan, was in meiner Kraft stand, damit sie Kaliste besiegen konnte und nicht beim Versuch draufgeht.“
Armand gab einen höhnischen Laut von sich. „Tu bloß nicht so, als wäre das ein Opfer gewesen. Du warst von Anfang an scharf auf Mel.“
Blue besaß den Anstand, zerknirscht den Blick zu senken. „Nein, Opfer würde ich das nicht nennen. Aber sie ist dein Mädchen.“
„Denk nur nicht, ich würde nicht bemerken, wie du sie immer noch anschmachtest. Mir ist egal, mit wem sie schläft, das gefährdet unsere Liebe nicht. Dazu ist sie zu stark. Aber du hast uns verraten. Du hast uns in die Todesgefahr rennen lassen, obwohl du wusstest, dass es nicht nötig wäre.“
„Ich habe es wiedergutgemacht“, verteidigte sich Blue.
„Du hättest uns erst gar nicht anlügen dürfen.“
„Ach, und du hast gleich die Wahrheit gesagt, ja? Vor allem ihr?“
Damit erwischte Blue einen wunden Punkt. Armand erinnerte sich gut an ein Gespräch, das sie miteinander
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