Ruf Des Dschungels
1962
Vereinbarung zwischen der Republik Indonesien und dem Königreich der Niederlande bezüglich West-Neuguinea (West-Papua)
Eingedenk der Interessen und des Wohlergehens der Bevölkerung des Territoriums West-Neuguinea (West-Papua), im Folgenden als »das Territorium« bezeichnet, und in dem aufrichtigen Wunsch, ihren Konflikt um das Territorium beizulegen, treffen die Republik Indonesien und das Königreich der Niederlande folgendes Abkommen:
Artikel II :
Nach Annahme der Resolution … werden die Niederlande die Regierungsgewalt über das Territorium an eine vorübergehende Verwaltung der Vereinten Nationen (United Nations Temporary Executive Authority, UNTEA ) übertragen, welche durch den Generalsekretär eingesetzt wird und ihm untersteht.
Die UNTEA ihrerseits wird die Verwaltung an Indonesien übergeben.
Ende September 1962 . Ein junger Leutnant der niederländischen Marine saß in einem kleinen Küstendorf in West-Papua am Lagerfeuer. Sterne bedeckten den schwarzen Himmel, der Halbmond warf verschwommene Schatten über das schlafende Dorf. Der Geruch faulender Vegetation und süßer Blüten mischte sich mit dem Rauch, doch der Leutnant bemerkte ihn nicht. Er hielt ein Blatt Papier in der Hand und schrieb einen »Sitrep«, einen Situationsbericht, der am folgenden Morgen zu seinem Hauptquartier in Sorong geschickt werden sollte. Es war ein kurzer Bericht, denn an diesem Abend gab es nicht viel zu berichten.
Die zwei Wochen, die er jetzt schon mit seiner Truppe in diesem Dorf stationiert war, fühlten sich im Vergleich zu den letzten acht Monaten wie ein Urlaub an. Er hatte lange Märsche durch schwieriges Terrain hinter sich gebracht und den Dschungel auf der Suche nach indonesischen Fallschirmspringern und Soldaten durchkämmt. Er erinnerte sich an einen papuanischen Fährtensucher, der bei der Verfolgung eines Trupps stets ein Blatt aufgehoben hatte, auf das die feindlichen Soldaten getreten waren. Indem er an dem Blatt schnupperte, konnte er bestimmen, wie viele Stunden vergangen waren, seit der Feind die Stelle passiert hatte.
Alles in allem waren die Niederländer sehr gut mit den Inselbewohnern ausgekommen, hatten sie für eine unabhängige Zukunft geschult, ausgebildet und vorbereitet. Und nun, bevor es überhaupt richtig begonnen hatte, war es vorbei.
Tiefe Enttäuschung hatte daher die letzten Wochen geprägt, und ein Gefühl der Traurigkeit war auch bei vielen der Einwohner spürbar gewesen, als die Holländer den Befehl erhalten hatten, sich zurückzuziehen. Er selbst hatte die letzten paar Tage damit verbracht, zu sortieren, was eingepackt und mitgenommen werden sollte und was sie gemäß Befehl hier zurücklassen würden.
Vor einiger Zeit hatte er die Granaten einsammeln wollen, die sie als Sprengfallen versteckt hatten, um indonesische Truppen fern zu halten – und festgestellt, dass sie alle verschwunden waren. Als er die Papua fragte, die ihm geholfen hatten, die Fallen auszulegen, erntete er nur erstaunte Unschuldsblicke. Aber wer konnte es ihnen verdenken? Hatten sie nicht seit längerem der »Invasion eines Feindes« zusehen müssen, wie sie selbst sagten? Nun befanden sich jene Feinde unmittelbar an der Schwelle, die Tür stand weit offen, nichts konnte sie mehr aufhalten.
Der Marineleutnant blickte in den Nachthimmel hinauf. Es war ein langer Tag gewesen, gekrönt von einer Abschiedszeremonie der papuanischen Dorfbewohner für die Niederländer.
Die Papua hatten sich in ihrer Abschiedsrede bei den Soldaten für all die Geschenke bedankt, für Essen und Benzin. Sie lobten die Marine für ihre Unterstützung gegen die Feinde. Danach wurde gemeinsam gegessen und getanzt. Es war spät, als er endlich ins Bett kam.
Der junge Mann fuhr aus dem Schlaf hoch, als ihn jemand an den Haaren zupfte. Eine Stimme flüsterte in der Dunkelheit, bat ihn, mitzukommen. Der Leutnant stand auf und folgte dem jungen Einheimischen nach draußen vor das Dorf, wo noch ein Papua wartete. Die meisten Feuer waren inzwischen erloschen, nur Mond und Sterne beleuchteten schwach das Land. Der Papua sagte, er habe eine Bitte.
»Wir möchten ein Gewehr und Munition von euch kaufen«, sagte der junge Mann. »Das ganze Dorf hat gesammelt, wir haben all unser Geld zusammengelegt und 250 Gulden zusammengebracht.«
Doch es war eine Bitte, die der Leutnant unmöglich erfüllen konnte.
Am nächsten Tag verließ er das Dorf, und nach einem kurzen Aufenthalt in Sorong begann die lange Reise
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