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Ruf Des Dschungels

Ruf Des Dschungels

Titel: Ruf Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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Mein Herz sehnte sich danach, zu bleiben, mein Verstand dagegen sagte mir, ich solle zurückkehren, es sei noch etwas zu erledigen. Aber was nur? Wieso hatte ich das Gefühl, dass eine Aufgabe auf mich wartete? Ich wusste, dass ich zurückkehren musste, doch meine Familie war nicht der einzige Grund. Was aber sonst?
    Am nächsten Morgen zwang ich mich zum Aufstehen. Es war mein letzter Tag, und ich musste mir unbedingt noch einen Wunsch erfüllen. Ich suchte Jacop und bat ihn, mich in die Stadt zu fahren. Ich wollte mein altes Zuhause aufsuchen, das Haus, in dem alles angefangen hatte. Ich wollte noch einmal die lange Auffahrt sehen, das Zementhaus mit der Palme im Hof, das Haus von Mari. Ich wollte mich vergewissern, ob es den kleinen Laden noch gab. Wir waren dort ausgezogen, als ich sechs war. Doch im Hof vor unserem Haus hatte ich damals ein seltsames Erlebnis gehabt, es war nur eine unklare Erinnerung, und richtig verstanden hatte ich sie nie …
    Kurze Zeit später bogen wir in die kleine Nebenstraße ein. Es hatte sich nicht viel verändert, nur ein paar neue Häuser standen da. Ich konzentrierte mich auf den Straßenrand, damit ich die Zufahrt nicht verpasste. Da, ich hatte sie entdeckt.
    Am Ende der Gasse stieg ich aus und betrachtete das alte Zementhaus. Es sah viel kleiner aus, als ich es in Erinnerung hatte, auch war die Palme davor nicht mehr da, und der Hof war mit Müll und Unkraut übersät. Jacop wartete im Auto, während ich auf das Haus zuging. Ich hörte Kinderstimmen, Gelächter, das Erinnerungen weckte. Ich ging an dem Haus vorbei, das vor unserem stand, und fand sogar die Abkürzung wieder, die Mari mir damals gezeigt hatte.
    Das hohe Gras wich zur Seite, der trockene Boden zerbröselte unter meinen Füßen. An der Hauptstraße warf ich einen Blick auf die andere Seite. Der kleine Laden war nicht mehr da, an seiner Stelle stand ein neues Gebäude. Dann wandte ich mich nach rechts, und hinter ein paar Bäumen entdeckte ich, wonach ich suchte: das Haus von Mari.
    Es war schrecklich heruntergekommen, die Fensterscheiben eingeschlagen, das Dach sah aus, als würde es jeden Augenblick einstürzen. Hier schien niemand mehr zu wohnen. Plötzlich tauchte ein junges papuanisches Mädchen in der Tür auf und sah mich überrascht an. Ich musterte sie, ihr lockiges Haar, die dunkle Haut, die schwarzen Augen. Sie trug nichts als Lumpen, und in ihrem Blick lag Bitterkeit, ein Mensch ohne jegliche Hoffnung auf den nächsten Tag. Rasch wandte ich mich ab.
    Auf der anderen Straßenseite entdeckte ich einen Baumstumpf im Schatten, von dem aus ich den Ort betrachten konnte, der mein erstes Zuhause hier gewesen war. So viele Jahre waren vergangen, so viel hatte sich verändert, so viele Erfahrungen hatte ich gemacht. Was wollte ich hier? Was hoffte ich zu finden?
    Ich hörte plötzlich, wie mich Mamas Stimme rief: »Sabine, komm her!«
    »Was ist denn, Mama?«
    »Wer ist der alte Mann, mit dem du da gerade gesprochen hast?«
    »Keine Ahnung. Er sitzt schon seit ein paar Tagen da.«
    »Sabine, ich will nicht noch einmal sehen, dass dir jemand die Hände auf den Kopf legt. Halt dich von ihm fern, wir kennen ihn nicht.«
    »Aber er ist nett. Er sagt, dass er früher Häuptling in einem Dorf war. Er hat mir erzählt …«
    »Hast du gehört, was ich gerade gesagt habe?«
    »Ja, Mama.«
     
    Wer war dieser alte Mann? Wieso hatte er sich so für mich interessiert, als ich noch ein Kind war? Er hatte mich mehrere Tage lang beobachtet und mich dann angesprochen. Hatte gesagt, er sei einst ein mächtiger Mann gewesen und habe alles verloren. Ich versuchte mich an seine Worte zu erinnern. Wieso war mir dieses Erlebnis so viele Jahre lang im Gedächtnis geblieben? Lag es daran, dass ich von den Gesprächen nur noch vereinzelte Wörter wusste, aus denen ich nicht klug wurde?
    Eines Morgens hatte er mich beiseite genommen und mir gesagt, er wolle für mich beten.
    »Wieso das denn?«, fragte ich ihn.
    Er antwortete in etwa: »Eines Tages wirst du eine wichtige Rolle in diesem Land spielen. Deine Seele ist mit dem Schicksal unseres Volkes eng verbunden.« Dann hatte er mir seine Hände auf den Kopf gelegt und etwas in einer fremden Sprache zu mir gesagt. Genau in dem Augenblick rief Mama mich zu sich.
    Ich weiß nicht mehr, ob ich den alten Mann danach noch einmal wiedersah. Es war alles so verschwommen, so verwirrend. Was hatte ich mit dem Schicksal dieser Menschen zu tun? Welche Rolle konnte ich hier übernehmen? Wie viel

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