Ruf Des Dschungels
zurück in seine Heimat. Unterwegs hörte er im Radio die Abschiedsrede des niederländischen Botschafters Van Royen an die zurückgelassenen Papua:
»Während der langwierigen und schwierigen Verhandlungen war der niederländischen Delegation nichts so wichtig wie das Schicksal der 700 000 Papua.
Denn der niederländischen Regierung liegt das Wohl der Papua am Herzen, und die Unterstützung der Vereinten Nationen möge ihnen eine wahrhaft freie Zukunft garantieren.
Das Urteil der Geschichte wird davon abhängen, wie die Bedingungen des New Yorker Abkommens in die Praxis umgesetzt werden. Die ganze Welt wird uns dabei zusehen.«
Letztlich war es jedoch der niederländische Premierminister, der vielen aus dem Herzen sprach, als sie jene Insel sich selbst überlassen mussten, die heute als West-Papua bekannt ist: »Ich bedaure, dass es uns nicht möglich ist, gemeinsam mit euch die Arbeit zu beenden, die wir begonnen haben.«
Artikel XIV :
»Nach der vollständigen Übertragung der administrativen Verantwortung auf Indonesien werden die nationalen Gesetze und Bestimmungen Indonesiens prinzipiell auch in dem Territorium Gültigkeit besitzen, wobei vorausgesetzt wird, dass diese mit den Rechten und Freiheiten vereinbar sind, welche den Bewohnern durch das vorliegende Abkommen zugesichert werden … Indonesiens vordringlichste Aufgaben werden darin bestehen, die Volksbildung weiter voranzutreiben, den Analphabetismus zu bekämpfen sowie die soziale, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung der Bevölkerung zu fördern …«
Im Jahr 1961 schloss ein junger Papua namens G. Tommy die Dorfschule in Tanan Merah ab, einem Ort in der Nähe der Grenze zu Papua-Neuguinea. Er hatte große Pläne für die Zukunft, wollte seine Ausbildung in der Küstenstadt Merauke fortsetzen und einen Beitrag zu der unabhängigen Zukunft seines Landes leisten, die die Niederländer versprochen hatten. Voller Stolz sah er zu, wie am 1 . Dezember 1961 die Staatsflagge West-Papuas mit dem Morgenstern neben der niederländischen gehisst wurde. An diesem Tag wurden in sieben Provinzen die beiden Flaggen gehisst, als Zeichen der Einigkeit und erster Schritt in Richtung Unabhängigkeit, die bis 1970 erreicht sein sollte. Großer Jubel herrschte im Land, die Menschen tanzten, sangen und feierten den Beginn einer neuen Ära. Doch diese Ära sollte nur allzu rasch wieder enden.
Als der indonesische Präsident Sukarno erfuhr, dass die papuanische Staatsflagge gehisst worden war, war er schockiert und wütend. Er erkannte, dass die Papua nichts anderes als die Unabhängigkeit wollten. Mit ironischer Stimme erklärte er: »Die Papua sind Primitive, und jetzt wollen sie Freiheit?« Kurz darauf wandte er sich in einer Rede an sein Volk und behauptete, »dass unsere Brüder und Schwestern in Papua unsere Hilfe brauchen, um sich von den Niederländern zu befreien«. Damit begründete er, dass unverzüglich Fallschirmjäger in mehrere Provinzen Papuas geschickt wurden.
Als G. Tommy das niederländische Militär eintreffen sah, um gegen den indonesischen Feind zu kämpfen, wollte er sich, wie viele seiner Freunde, dem Papuanischen Freiwilligencorps anschließen. Doch sie wiesen ihn ab, weil er zu jung war. G. Tommy beschloss, seinen ursprünglichen Plan weiterzuverfolgen, und zog nach Merauke.
Währenddessen fanden die Verhandlungen für das New Yorker Abkommen statt, und am 15 . August 1962 wurde der Vertrag unterzeichnet. Die Niederländer zogen unverzüglich ab. Doch die Papua sind ein starkes, stolzes Volk, und am 1 . Dezember 1963 hissten sie erneut den Morgenstern. Die indonesischen Sicherheitskräfte, erbost über diese öffentliche Zurschaustellung der Flagge, griffen hart gegen die Bevölkerung durch, vor allem gegen papuanische Politiker und Aktivisten.
G. Tommy musste mit ansehen, wie viele seiner Landsleute gefesselt, mit verbundenen Augen hinter Lastwagen hergeschleift oder auf der Stelle erschossen wurden. Viele verschwanden einfach und wurden nie mehr gesehen. Angst und Entsetzen breiteten sich aus, und die Indonesier verboten den Morgenstern – die bloße Erwähnung der Flagge wurde mit dem Tode bestraft. »Es gibt kein Land Papua mehr, ihr seid nicht länger Papua, sondern Indonesier«, wurde überall auf der Insel propagiert.
Da die tägliche Furcht vor Morden und Übergriffen von nun an ihr Leben beherrschte, flohen Hunderte Papua ins benachbarte Papua-Neuguinea, darunter auch G. Tommy. Dort waren sie willkommen, und
Weitere Kostenlose Bücher