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Ruf Des Dschungels

Ruf Des Dschungels

Titel: Ruf Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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mir zu sehen. Hätte jemand mir vor einem Jahr erzählt, dass ich eines Tages Mathias Wenda treffen würde, so hätte ich es nicht geglaubt. Es gibt wenige, die diesen Mann in den letzten Jahren zu Gesicht bekommen haben, und dies gilt natürlich besonders für Menschen mit weißer Hautfarbe.
    Nach der Begrüßung kehrten wir in die Hütte zurück. Wir waren alle sehr nass geworden, doch das schien niemanden zu stören. Alle nahmen in einem großen Kreis Platz. Nach einigen Minuten der Stille fing die übliche, sich in die Länge ziehende Begrüßung an.
    Während der nächsten Stunden wuchs eine große Vertrautheit zwischen uns allen. Ich möchte aus Sicherheitsgründen nicht im Detail über diesen Tag berichten, aber es war ein Tag, den ich niemals vergessen werde. Ich befand mich direkt im Zentrum der Unabhängigkeitsbewegung West-Papuas, die ich nun schon jahrelang unterstütze und deren Mitglieder von Indonesien widerrechtlich als Terroristen bezeichnet werden. Diese Menschen hingegen kämpfen nur für ihr Recht auf Selbstbestimmung und wehren sich gegen jede Form von Ausbeutung und Gewalt, wie sie im indonesisch besetzten West-Papua an der Tagesordnung ist.
    Als wir uns trennen mussten, weinten wir, denn die Chance, dass wir uns in dieser Runde jemals wiedersehen würden, war gering. »Papua Merdeka«, sagten wir zum Abschied: Freiheit für West-Papua.
     
    Am nächsten Tag besuchten Steffen und ich ein anderes Flüchtlingslager und fanden die Menschen dort in einer ähnlich bedrückenden Lage. Während Steffen sich mit den Männern unterhielt, setzte ich mich zu den Frauen und hatte ein langes Gespräch mit ihnen. Sie erzählten mir vom einzigen offiziellen Flüchtlingslager im Süden des Landes, wo mehrere Tausend Papua lebten. Dort könne man in sicheren Verhältnissen Medikamente und eine gewisse Schulausbildung bekommen.
    Ich fragte, warum sie nicht alle dort hinzögen.
    Eine ältere Frau antwortete, sie sei dort gewesen, da aber das Land begrenzt sei, konnten sie bald nicht mehr genug Gemüse ernten, um alle satt zu machen. Dies war eines der größten Probleme in allen Flüchtlingsdörfern, die wir besuchten: Die meisten Flüchtlinge waren schon seit Jahren in Papua-Neuguinea und hatten nur ein kleines Stück Land zur Verfügung. Durch die agrarische Übernutzung wurde die Ernte Jahr für Jahr schlechter.
    Auch die Sicherheit war ein großes Thema. Die Menschen aus West-Papua sind schutzlos und werden von der Regierung von Papua-Neuguinea als »Border Crossers« bezeichnet – illegale Einwanderer ohne Rechte und ohne Möglichkeiten, ihren Kindern eine Zukunft zu bieten. Sie leben quasi in einer rechtlosen Zone und kämpfen jeden Tag ums Überleben. In ihren Augen sieht man die Hoffnungslosigkeit. Wenn sie Geld für Medikamente oder Schulgeld für ihre Kinder verdienen wollen, müssen sie zum Teil bis zu sechs Stunden zur nächsten Kleinstadt laufen oder, wie im Fall eines anderen Flüchtlingslagers, bis zu zwölf Stunden in einem Einbaum den Fluss aufwärts paddeln, um das Wenige, was das Land an Ernte noch einbringt, zu verkaufen.
    Und immer wieder fragten sie uns: »Warum kommt niemand, um uns zu helfen?« Oftmals schaute ich Steffen an, und wir beide wussten nicht, was wir darauf antworten sollten. Wie konnte das Leben auf einer an natürlichen Rohstoffen so reichen Insel so viel Leid und Armut mit sich bringen? Eine junge Frau, die ich kennenlernte, hatte diese Frage so trefflich formuliert.
     
    Wir reisten weiter in den Süden, um ein anderes inoffizielles Flüchtlingsdorf zu besuchen. Um dieses Dorf zu erreichen, mussten wir mehrere Stunden mit dem Boot fahren. Die Reise dauerte insgesamt drei Tage, und als wir ankamen, wurden wir zurückhaltend begrüßt. Doch bald wuchs auch hier das Vertrauen, und die Dorfbewohner erwiesen uns ihre Ehre, indem sie für uns Tänze und Lieder vorführten.
    Im ersten Moment war ich erleichtert gewesen, denn hier sah die Situation ein wenig besser aus. Das Dorf war groß, die Hütten gut gebaut, und die Menschen schienen besser ernährt zu sein. Ich entdeckte sogar einige Obstbäume. Doch wie so oft auf dieser Reise trog der Schein.
    Hier gab es nämlich noch ein ganz anderes Problem als die schlechte Versorgungslage, nämlich die durch eine Kupfer- und Goldmine namens OK Tedi Mine verursachte Umweltverschmutzung. Ich hatte schon auf unserer Bootsfahrt bemerkt, dass etwas mit den Bäumen am Rande des Flusses nicht stimmte, denn sie waren alle geschädigt, manche

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