Ruf Des Dschungels
gegarten Kwa ab, einer Brotfrucht, die sie gerade aus dem Feuer geholt hatte. Wie es sich aufgrund ihrer Stellung mir gegenüber gehörte, schälte sie die runde Frucht erst, bevor sie mir etwas davon anbot. So musste ich sie nur noch in den Mund stecken, und schon spürte ich den vertrauten Geschmack aus meiner Kindheit auf der Zunge, zu beschreiben am besten als eine Mischung aus Nuss und Kartoffel. Als Kinder mochten meine Geschwister und ich die Brotfrucht lieber als das asiatische Essen aus Reis und Gemüse, das Mama häufig kochte.
Wie wunderbar, endlich wieder hier zu sein, einfach im Kreise der Frauen zu sitzen, auch wenn es vielleicht ein bisschen langweilig war und die Fliegen sich zu einer Armee formiert hatten, um meine Haut zu attackieren. Zwar half es, dass ich ohne Seife geduscht hatte, aber sie schienen meinen Körpergeruch nach wie vor interessanter zu finden als den der Fayu in meiner Nähe.
Ich stand auf, um zum Fluss zu gehen, und Sophia-Bosa folgte mir sofort in Richtung Dschungelbrücke. Vielleicht waren ja ein paar Bekannte eingetroffen. Mit großer Erwartung sah ich der Ankunft von Tuare und Bare entgegen, meinen engsten Freunden aus Kindertagen. Ich war gespannt, wie sehr sie sich verändert hatten und wie sie mich wohl aufnehmen würden, jetzt, wo wir alle erwachsen waren und unsere eigenen Familien hatten.
Ich hängte mir meine Kamera über die Schulter und ging vorsichtig und leicht schwankend über die unebenen Bretter der Brücke. Die Szenerie um mich herum zog mich allmählich in ihren Bann. Die grünen Kletterpflanzen, die entlang der Brücke wuchsen, nach ihren Enden griffen und sich an den braunen Baumstämmen entlangwanden, die schlichten und zugleich eleganten weißen Blumen, die wie Tupfen aus Schnee das grüne Meer durchbrachen, die nebelverhangenen, geheimnisvollen Sümpfe, die den Boden unter mir bedeckten, und dazu die Sumpfpalmen, die aus dem sanften Dunst heraus in den Himmel explodierten, ergaben zusammen ein unvergleichlich schönes Bild. Die langen Stacheln an der Rinde dieser Palmen beherbergten gewiss eine atemberaubende Vielfalt an kleinen Lebewesen. Schmetterlinge flatterten neben blauen, schwarzen und braunen Pferdebremsen umher, die die Sträucher und Büsche beherrschten. Fast mit jedem Schritt offenbarte sich mir ein neues Wunder, das es zu bestaunen und zu fotografieren galt.
Weißes Leuchten im grünen Dickicht
Zunächst waren die Kinder, die mich begleiteten, überrascht, dass ich eine weiße Blume oder einen Schmetterling so faszinierend fand. Doch bald schon hatte ich sie mit meiner Begeisterung angesteckt, nun hielten auch sie Ausschau nach Tieren und Pflanzen, die mir vielleicht gefielen – und statt einer halben Stunde brauchten wir prompt eine ganze, um die Brücke zu überqueren.
Aus der Ferne hörte ich auf einmal Stimmen unten am Fluss.
Wer mag das wohl sein?,
fragte ich mich und eilte um die letzte Biegung. Ich spähte hinüber zum Fluss, konnte jedoch niemanden entdecken. Da fiel mein Blick auf die kleine Fayu-Hütte am Ufer. Wahrscheinlich kamen die Stimmen von dort.
In der Hütte war es ein wenig düster, das strahlende Sonnenlicht fiel durch die zahlreichen Ritzen in den Wänden, und meine Augen brauchten einen Moment, bis sie sich an das dämmerige Licht gewöhnt hatten.
Plötzlich rief jemand direkt neben mir aufgeregt meinen Namen. Ich fuhr herum, und mein Herz machte vor Freude einen Sprung, als ich sah, wer da aufgetaucht war. Ehe ich darüber nachdenken konnte, ob das den Sitten der Fayu nun entsprach oder nicht, fiel ich einem Mann um den Hals. Einem Mann, der in mein Leben getreten war, als ich sieben Jahre alt war, der mich begleitet, gelehrt, geformt, beschützt hatte und der mein bester Freund wurde. Es war mein Kindheitsfreund Tuare.
Wir jauchzten beide vor Freude, ließen unserer Begeisterung über das Wiedersehen, all unserer Zuneigung freien Lauf. Tuare fasste mich die ganze Zeit über an, als wollte er nicht glauben, dass ich es wirklich war, dass ich tatsächlich, nach über fünfzehn Jahren in der Fremde, zu ihm zurückgekehrt war. Wie gut er aussah, wie groß und männlich er war.
Voller Stolz stellte er mich seiner Frau Doriso-Bosa und seinen Kindern vor, zwei Mädchen und ein Junge. Doriso-Bosa war ebenfalls völlig überwältigt, mich zu sehen; sie war die erste Neugeborene gewesen, die Mama damals kurz nach unserer Ankunft entbunden hatte. Mama zu Ehren wurde sie nach ihr benannt.
Mit meinem Kindheitsfreund
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