Ruf Des Dschungels
Häuschen.
Bare, stets gut gelaunt
Er hatte zu der Gruppe von Fayu-Kindern gehört, die mich meine gesamte Kindheit hindurch begleitet haben. Im engeren Kreis von Tuare, Bebe und Dihida war er der Spaßvogel gewesen. Immer gut gelaunt und nichts als Unsinn im Kopf, hatte er so manche Auseinandersetzung mit Mama gehabt.
Schon nach wenigen Minuten war klar, dass er seinen ausgeprägten Sinn für Humor nicht verloren hatte. Kaum hatte er mich seiner Frau vorgestellt, die niemand anderes war als Sabine-Bosa, eine junge Frau, die man einst nach mir benannt hatte, posaunte er heraus, dass ihm neben Sabine-Bosa eigentlich auch die »große Sabine« als Ehefrau zustehe. Alle Anwesenden brachen bei dieser Bemerkung in lautes Gelächter aus und fanden das Ganze urkomisch. Alle außer Sabine-Bosa.
Sabine-Bosa und Sabine
Ich kannte Sabine-Bosa noch aus Kindertagen und erinnerte mich an sie als ein fröhliches und sorgloses Mädchen. Jetzt dagegen erschien sie mir in sich gekehrt, ernst und als Einzelgängerin. Das stimmte mich ein bisschen traurig, zumal wir nach der Tradition der Fayu nun miteinander verwandt waren. Außerdem fiel mir auf, dass sie schwanger war, etwa im sechsten Monat, wenn ich mich nicht täuschte.
Bare machte aus seinem Stolz über die bevorstehende Geburt seines ersten Kindes keinen Hehl, während Sabine-Bosa die Aufmerksamkeit, die ihre Schwangerschaft erregte, unangenehm zu sein schien.
Allmählich legte sich die Aufregung, und ich wandte mich wieder den Kindern zu, die mir nicht von der Seite wichen und die Aufmerksamkeit, die ich ihnen widmete, in vollen Zügen genossen. Da sie weder zur Schule gingen noch sonst irgendeine Aufgabe oder Rolle in der Gemeinschaft übernahmen, war ihnen natürlich furchtbar langweilig.
Mamas alte Schule, vom Urwald fast verschlungen
Ich ertappte mich bei dem Gedanken, wie wunderbar es wäre, den Unterricht für die Kinder zu organisieren, denn sie gierten förmlich nach Wissen und Beschäftigung. Als Mama damals vor vielen Jahren die Schule ins Leben gerufen hatte, empfanden die Kleinen es als die schlimmste Strafe, wenn sie mal einen Tag den Unterricht verpassten. Meine Tochter Sophia hatte nur ungläubig den Kopf geschüttelt, als ich ihr davon erzählte. Als Mama das Dorf verließ, um wegen meiner Großmutter nach Deutschland zurückzukehren, bedeutete dies das Aus für die Schule. Leider fand sich kein Ersatz für sie, daher schickten die Fayu Tuare, Bebe und ihre Altersgenossen nach Jayapura, wo sie ihre Ausbildung fortsetzen konnten. Wir hatten darauf gehofft, einer von ihnen würde sein Wissen anschließend an die nachfolgenden Generationen weitergeben, doch das Interesse daran war offenbar nicht groß genug. Papa hat mir allerdings vor kurzem erzählt, dass einer der jungen Männer den Wunsch geäußert habe, wieder eine Schule ins Leben zu rufen, und ich hoffe, dass er diesen Wunsch eines Tages in die Tat umsetzt.
Am späten Nachmittag kam Fusai vorbei und fragte, ob ich ihr helfen wolle, Sago herzustellen. Begeistert von der Idee sprang ich auf und griff nach meiner Videokamera. Mein Enthusiasmus übertrug sich auf Papa, der sich uns spontan anschloss.
Wir liefen über die Dschungelbrücke zum Fluss hinunter. Dort angekommen, folgten wir einem schmalen Pfad, der links am Ufer entlangführte. Unterwegs fiel mein Blick auf eine kleine Hütte, die sich an die riesigen Dschungelbäume anschmiegte. Eine ältere Fayu-Frau eilte heraus, um uns willkommen zu heißen, dicht gefolgt von ihrem Mann. Papa begrüßte sie sehr herzlich und fragte mich, ob ich mich an die beiden erinnern könne.
»Leider nein«, antwortete ich.
»Das hier«, begann er und legte einen Arm um die lachende Frau, »ist die erste Stammesangehörige der Fayu, der ich je begegnet bin.«
Jetzt wusste ich auch wieder, wer die beiden waren. Ich konnte mich zwar nicht erinnern, sie jemals zuvor gesehen zu haben, denn als Kind hatten mich solche Dinge nicht interessiert.
Als Papa sich damals im Jahr 1978 aufmachte, den nahezu unbekannten Stamm der Fayu zu suchen, dauerte es mehrere Wochen, bis er auf erste Spuren stieß. Nach mehreren erfolglosen Suchaktionen im wilden Dschungel war er schon kurz davor aufzugeben, da hörte er von einer Frau, die diesem berüchtigten Stamm einmal angehört hatte. Sie hatte sich ausgerechnet in einen Mann vom verfeindeten Stamm der Kirikiri verliebt und ihre Leute verlassen, um ihn zu heiraten.
Schon oft hatte ich mich über diese einzigartige Geschichte
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