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Ruf Des Dschungels

Ruf Des Dschungels

Titel: Ruf Des Dschungels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kuegler
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rächen, und schon wäre die Spirale der Vergeltung, die dieses Volk schon einmal beinahe ausgelöscht hatte, nicht mehr aufzuhalten.
    Beim Zusammensein mit Tuare hatte ich gespürt, dass etwas nicht stimmte. Vor allem zwischen ihm und Doriso-Bosa war die Atmosphäre nahezu hasserfüllt. Bebe hielt sich ebenfalls von den anderen Stammesangehörigen fern. Nur Babu-Bosa und Adia wirkten glücklich und zufrieden und bewältigten den Alltag mit einem Lächeln auf den Lippen.
     
    Wenn sich in der westlichen Welt zwei Menschen entzweien oder in Streit geraten, so tut dies weh, aber dann hofft man auf einen neuen Freund oder Partner, und das Leben geht weiter. Doch in einer so kleinen Gesellschaft, wie es die Fayu sind, bringt der Bruch zwischen zwei Menschen das Alltagsleben der ganzen Gruppe durcheinander. Wie würde es einem Europäer ergehen, müsste er mit seinem ärgsten Feind auf engstem Raum im Dschungel zusammenleben? Keine Möglichkeit auszuweichen, keine Chance, neue Freundschaften zu schließen, und bei allen Tätigkeiten und Zusammenkünften immer mit dieser einen Person konfrontiert.
    Im Dschungel ist es unmöglich, sich von den anderen abzusondern, da man auf sich selbst gestellt nicht lange überleben kann. Der Zusammenhalt der Fayu ist ihre Stärke, er ermöglicht es ihnen erst, dieser rauen Umgebung standzuhalten. Sobald der Zusammenhalt schwindet, bröckelt die ganze Gemeinschaft.
     
    Nachdem Papa geendet hatte, machte er sich auf die Suche nach Tuare, denn er war in Sorge, dass die Familie ohne ausreichende Behandlung das Dorf verließ. Er hatte aus Jayapura Medikamente mitgebracht, um die beiden Männer und ihre Frauen zu kurieren, zumal diese durchaus noch Kinder bekommen konnten. Zum Glück fand Papa Tuare, und der willigte ein, so lange zu bleiben, bis die Therapie abgeschlossen war.
    Also holte Papa an den folgenden drei Abenden zunächst Diro und seine Frau und anschließend Tuare mit Doriso-Bosa zu sich ins Haus. Dabei achtete er genau darauf, dass sie die Tabletten auch tatsächlich schluckten. Am letzten Abend, als Papa Tuare und Doriso-Bosa das Medikament gab, gesellte ich mich dazu. Ich wollte unbedingt mit Tuare sprechen, Papa übersetzte für mich. Denn obwohl so viele Jahre vergangen waren und wir inzwischen erwachsen waren und eigene Kinder hatten, spürte ich das alte Band noch zwischen uns, einen Funken, der nie verloschen war.
    Ich erzählte Tuare von meinem Leben in Deutschland und erklärte ihm, dass ich hart arbeiten müsse, um genug Geld für mich und meine Kinder zu verdienen.
    »Nur wenn ich genug Geld habe, kann ich meinen Kindern etwas zu essen kaufen«, fuhr ich fort. »Habe ich dagegen keine Arbeit, dann müssen wir alle hungern. Hier bei euch ist es anders. Wenn deine Kinder Hunger haben, gehst du auf die Jagd oder suchst im Dschungel nach etwas zu essen. Was, glaubst du wohl, passiert, wenn du mit ihnen in der Stadt leben würdest? Du sprichst nicht fließend Indonesisch, du hast weder etwas zu verkaufen noch Arbeit, um Geld zu verdienen. Deine Kinder würden Hunger leiden, und deine Frau würde auf dich böse werden. Deine Welt ist der Dschungel, hier bist du sicher und weißt, wie man überlebt. Selbst wenn die Stadt dir aufregend vorkommt, sie hat eine Menge Schattenseiten. Ich weiß das genau, schließlich habe ich diese dunklen Seiten kennen gelernt. Sie können dich zerstören.«
    Tuare schwieg, während Papa für mich übersetzte. Mein Freund hielt den Blick auf den Boden gesenkt, seine Schultern hingen kraftlos herunter. Nachdem er die Tabletten genommen hatte, stand er mit seiner Frau auf, um zu gehen. Die Sonne war inzwischen untergegangen, Dunkelheit hatte sich über die Landschaft gesenkt. Ich stand auf und spürte eine tiefe Traurigkeit in mir, als ich ihm die Tür aufhielt.
    Auf dem Weg nach draußen drehte Tuare sich zu mir um und sah mir direkt in die Augen. Da bemerkte ich ihn, den winzigen Funken von früher, und plötzlich, wie in alten Zeiten, öffnete sich Tuare mir voll und ganz. Seine Seele war gepeinigt, und dennoch ging von ihm eine große Kraft aus, ein ungebrochener Wille zu überleben und aus seinem Leben etwas zu machen. Mit Tränen in den Augen sagte er: »Ich weiß, Schwester. Die große Stadt macht unser Herz schlecht.«
     
    Am nächsten Morgen wollte ich Tuare und seine Familie in dem Haus am Fluss besuchen, in dem sie vorübergehend wohnten. Als ich mich der Hütte näherte, spürte ich sofort, dass etwas anders war. Ich trat ein, doch

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