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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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verschiedenen Religionen Indiens und des Fernen Ostens oder das Zwischenreich eines Schamanen. Jede Ethnie hat ihre eigene Gottheit, und es sind Ströme von Blut über die Frage vergossen worden, welcher Gott der richtige ist, und dabei ist es möglich, dass sie sich
alle
irren – oder auch, dass all diese verschiedenen Vorstellungen einen gemeinsamen Ursprung haben. Den Regeln der Logik zufolge kann die Existenz eines Gottes nicht allein durch den Beweis des Weiterlebens nach dem Tod bewiesen werden, genauso wenig wie die Ewigkeit eines solchen Lebens nach dem Tod. Im Rahmen der Logik könnte man nicht einmal daraus folgern, dass jeder Mensch unbedingt den Tod überlebt.»
    «Hier entfernen Sie sich deutlich von der Lehre des Christentums», sagte George. «Dass vor Gott alle gleich sind, ist, würde ich sagen, einer der Grundpfeiler des Christentums.»
    «Gewiss. Aber aus der Perspektive des wissenschaftlichen Skeptizismus heraus kann ich leider nichts als gegeben hinnehmen. Wenn ich als Hypnotiseur spreche, dann habe ich keine Schwierigkeit zu glauben, dass Himmel und Hölle, Götter,Dämonen, Gespenster und Geister alle in unserem Denken, und damit im Geist und Gehirn, vorhanden sind – mit dem Zusatz, dass sie dadurch keinen Deut weniger real und mächtig sind als in den tradierten Glaubenssystemen.
    Wir denken an das Gehirn als etwas, das in dem engen Bereich des Schädels eingeschlossen ist. Wir können uns aber ebenso gut eine Höhle vorstellen, die mit dunklem Wasser gefüllt und durch einen unterirdischen Gang mit den unendlichen Tiefen des Ozeans verbunden ist. Wir müssen uns dann den Geist jedes Einzelnen denken als ein Tröpfchen des ozeanischen Geistes, der alles umfasst: alle Götter und Dämonen, das Paradies und die Unterwelt jeder Religion auf Erden, die gesamte Geschichte, alles Wissen, alles, was jemals geschehen ist. Das ist ein Geist, von dem wahrhaftig gesagt werden könnte, dass nichts verlorengeht, nicht einmal der Tod eines Sperlings.»
    Er hielt inne und drehte den Stiel seines Weinglases zwischen Zeigefinger und Daumen, purpurrotes Licht brach sich im Kristall.
    «Aber das sind bloße Spekulationen, und wir sprachen von der Suche nach einem Beweis. Nehmen wir einmal an, dass eine Kommunikation mit dem Jenseits möglich ist und dass es so etwas wie Clairvoyance oder Hellsehen gibt. Damit meine ich – ich weiß kein besseres Wort – die Fähigkeit, Geister wahrzunehmen und mit ihnen zu kommunizieren. Wir wissen – denn wir haben nicht einen einzigen bewiesenen Fall   –, dass wirkliche Clairvoyance extrem selten sein muss. Aber nehmen wir an, wir begegnen jemandem, der diese Fähigkeit zu besitzen scheint. Nehmen wir – wenn Sie es erlauben, Miss Unwin – den Fall Ihrer Freundin. Wenn nun ein junger Mann von genau dieser Beschreibung kürzlich gestorben wäre oder kurz darauf sterben sollte und Ihre Freundin, ohne etwas von ihm zu wissen, ihn anhand eines Porträts wiedererkennen würde – dem wäre es wert nachzugehen. Und wenn sie mehreresolcher Erlebnisse gehabt hätte, dann wäre das allem Anschein nach ein Fall von Clairvoyance.»
    Ich faltete die Hände in meinem Schoß und bemühte mich, ruhig zu atmen. Hatte George unter vier Augen mit Doktor Wraxford über meine Visitationen gesprochen? Das konnte nicht sein. Sie waren einander am Vortag erstmals begegnet.
    «Das offensichtliche Problem besteht darin, dass niemand sonst die Geister sehen kann. Aber heute Abend, angestoßen durch unser Gespräch, schwebt mir vor, wie ein solcher Beweis erbracht werden könnte. Wir wissen, dass in einer hypnotischen Trance ein Individuum extreme mentale Kräfte erlangen kann. Der Franzose Didier, der Gedanken lesen konnte, der mit verbundenen Augen Karten spielen und der sehr genau den Inhalt verschlossener Gefäße bestimmen konnte, ist nur das bekannteste Beispiel. Wenn es die Fähigkeit zur Clairvoyance gibt, dann müsste es also möglich sein, sie durch hypnotische Suggestion herbeizuführen.
    Wir würden also eine Gruppe von Individuen auswählen, sie hypnotisieren, ihnen mitteilen, dass sie die Gabe hätten, Geister zu sehen, ohne ihnen eine Anleitung zu geben, was sie gegebenenfalls sehen würden. Wir würden sie an einen entsprechenden Ort bringen, zusammen mit unserem mutmaßlichen Hellseher, der natürlich nicht hypnotisiert ist. Wenn nun die Hypnotisierten und der Clairvoyant alle dasselbe berichteten, während die Beobachter nichts sähen, sehr wohl aber wahrnähmen, dass alle

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