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Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Titel: Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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auswendig, so dass er auch in englischen Fassungen genau weiß, an welcher Stelle er durch ein kurzes Schnauben signalisieren muss, dass er die erotische Anspielung verstanden hat. Manchmal ärgere ich ihn. Sage, Gloria Swanson seieine Napfsülze oder Chris Marker ein Dummschwätzer. Oder ich verwechsle Ugetsu monogatari absichtlich mit Tokyo monogatari oder Mizogushi mit Mitsubishi – und er ist tödlich verletzt und zwei Wochen eingeschnappt.
    Manchmal aber finde ich Roberts Art hinreißend. Zum Beispiel, wenn ich ihn frage, ob wir nach dem Kino noch an Dietrichs Bar etwas trinken wollen. Dann kann es gut passieren, dass er sagt: Hab keinen Durst! Und er meint es auch so! Trinken als kommunikativer Vorgang ist ihm fremd. Das sind »Stammtisch-Allüren«. Seine Logik ist so simpel wie bestechend: Warum soll er etwas trinken, wenn er keinen Durst hat?
    Von seinem Beruf spricht Robert eher beiläufig und dann abfällig. Er müsse leider wieder einige Stunden »fiedeln«. Die »Tuttisten« nähmen sich in letzter Zeit eindeutig zu viel heraus. Der Fagottist sei die »absolute Schwachstelle im Soloholz«. Der Gastdirigent sei ein Idiot, ein Blödian erster Klasse, der Strawinsky vergewaltige und ansonsten dort hingehöre, wo der Pfeffer wächst. »Den Typen sollte man abschlachten wie ein Schwein«, brummt er und gibt damit Dietrichs und meiner Mördertheorie neue Nahrung.
    Das Kino findet Robert viel schöner als das Leben. Heute hat er meine DVDs auf »brauchbare Originalfassungen« durchsucht und einige Preminger-Filme zum Ausleihen neben sich gestapelt. Nun schaufelt er sauteure Mango-Garnelen von Butter Lindner in sich rein und summt. Ganz abgesehen davon, dass es mir ein Rätsel ist, wie man gleichzeitig summen und kauen kann – ich frage mich vor allem, warum dieser Mensch jeden Bissen stundenlang wiederkäut, als müsse er Beton zermahlen. So riesige Kieferbewegungen, so starke Malmgeräusche – und das alles für die paar mickrigen Garnelen! Robertsuntere Gesichtshälfte – ein einziger Kaumuskel. Sein Gesicht – das eines Nussknackers. Ein Presslufthammer für eine Haselnuss.
    Ich habe mal von einem Kampfhund gelesen, mit einer Bisskraft, die rund einer Tonne Gewicht entspricht. Da dachte ich an Robert. So kaut der auch Kaugummi! Deswegen biete ich ihm schon lange kein Orbit blau mehr an.
    »Na, schmeckt’s?«, frage ich und betrachte Robert halb fasziniert, halb angewidert.
    Er winkt ab und muss noch rasch fünfzigmal kauen, um überhaupt antworten zu können: »Du liebe Güte! Hauptsache, es macht satt!«
    Perlen vor die Säue! Beim nächsten Mal kriegt er eine Fünf-Minuten-Terrine!
    Fred fragt höflich per SMS, wann ich mal wieder reinkomme. Seinfeld macht mit seiner Freundin Schluss, weil sie die Erbsen alle einzeln isst und beim Fernsehen immer Pssst sagt. Thema bei
Bärbel Schäfer
ist: »Wünschen Sie sich die Mauer zurück?« Es gibt eine TED-Umfrage. Ich stimme etwa hundertmal mit Ja.

15. Herrschaftswissen
    Irgendwann schmeiße ich eine Bombe in die Taxizentrale. Aus irgendeinem Grund ist es wieder mal unmöglich, ein Nichtrauchertaxi zu bekommen. Ich protestiere! Ich boykottiere! Ich nehm den Bus – das ist irgendwie heroisch!
    Der Fahrer sieht aus wie Alfred Hitchcock, nur blöder. Und was noch schlimmer ist: Er leidet an Berliner Humor. Mit mir fallen Dutzende von Fahrgästen ein wie Heuschrecken.
    Ich frage Hitchcock, ob er zum Wittenbergplatz fährt. Er schließt die Türen, fährt los und grinst. »Nee, aba wa könn’ uns heute Nachmittag da treffen!«
    Ich halte ihm schweigend meinen Fahrschein hin.
    »Wattn«, knurrt er, »sollick da jetz reinbeißen?«
    Wie geräumig und gemütlich es auf der Welt ohne Busfahrer wäre! Ich spüre das Verlangen, mich von hinten an den Fettsack anzuschleichen, mit irrem Blick wie Hans Clarin in
Das indische Tuch,
und ihn mit einem surrend eingedrehten Seidenschal zu erdrosseln. Möge ihm der Tag des Jüngsten Gerichts zum Schrecken gereichen!
    Öffentlicher Nahverkehr – wie das schon klingt! BVG-Busse sind die Schützengräben des Großstadtkrieges. Dieser riecht nach Fertigpizzen, Trainingsanzügen und Schweiß. Schweiß besteht aus 98 Prozent Wasser, Harnstoff, Aminosäuren, Medikamentenresten. Zirka 200 Millionen kleine Schweißdrüsen münden an der Körperoberfläche eines einzigen Menschen. Ein Doppelstockbus der Berliner Verkehrsgesellschaft ist freigegeben für 79 Sitzplätze und 5–8 Stehplätze. Die Stehplätze sind ungefähr zehnfach

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